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Vermehrung des Fruchtwassers

Synonyme: Hydramnion, Hydramnie, Polyhydramnion, Polyhydramnie

Allgemeines

Eine Vermehrung der Fruchtwassermenge auf mehr als 2 Liter in der späten Schwangerschaft wird als Hydramnion bezeichnet. Ein ausgeprägtes Hydramnion bezeichnet man als Polyhydramnion.
Man unterscheidet das chronische vom akuten Hydramnion. Das chronische Hydramnion entwickelt sich langsam im Verlauf der 27. bis 40. Schwangerschaftswoche. Das akute Hydramnion ist eine ausgeprägte Zunahme der Fruchtwassermenge innerhalb von einer Woche.

Eine Vermehrung der Fruchtwassermenge auf mehr als 2 Liter in der späten Schwangerschaft wird als Hydramnion bezeichnet. Die vermehrte Fruchtwassermenge führt zu einer ungewöhnlich starken Zunahme des Bauchumfangs.
Vermehrung des Fruchtwassers, Hydramnion, Hydramnie, Polyhydramnion, Polyhydramnie

Durch die vermehrte Fruchtwassermenge während der Schwangerschaft erhöht sich der Druck von Innen auf die Gebärmutterwand. Dadurch nimmt die Durchblutung in den Gefässen der Gebärmutterwand ab und es gelangt weniger Blut in den Mutterkuchen. In der Folge wird das Kind im Mutterleib weniger gut mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Unter der Geburt sind durch die vermehrte Fruchtwassermenge zahlreiche Komplikationen möglich.

Beim Blasensprung fliesst das Fruchtwasser plötzlich aus der Gebärmutter heraus und der Druck in der Gebärmutter sinkt. Durch den schlagartigen Druckabfall in der Gebärmutter kann sich der Mutterkuchen von der Gebärmutterwand bereits ablösen bevor das Kind geboren wurde. Es wird von einer sogenannten vorzeitigen Plazentalösung gesprochen. Beim Blasensprung kann mit dem Fruchtwasser zudem die Nabelschnur am Kind vorbei aus der Gebärmutterhöhle heraus in die Scheide gespült werden. Es wird von einem sogenannten Nabelschnurvorfall gesprochen. Das viele Fruchtwasser gibt dem Kind einen grösseren Bewegungsspielraum in der Gebärmutter. Dadurch nehmen die Kinder bei einem Hydramnion oft eine falsche Position ein, sodass eine Geburt auf normalem Wege über die Scheide kaum noch möglich oder mit Komplikationen verbunden ist. Die Hälfte der Kinder, in deren Schwangerschaft eine Vermehrung der Fruchtwassermenge aufgetreten ist, sind aber völlig gesund und weisen keine Beschwerden von der vermehrten Fruchtwassermenge auf.

Das Fruchtwasser

Während der Schwangerschaft ist das Kind in der Gebärmutter von der Fruchtblase umgeben. Die Fruchtblase ist ein geschlossener Sack, der mit Fruchtwasser gefüllt ist. Die Hülle der Fruchtblase setzt sich aus den drei sogenannten Eihäuten zusammen. Das Amnion ist die innerste Eihaut, sie liegt dem Kind am Nächsten und produziert einen Teil des Fruchtwassers. Den anderen Teil des Fruchtwassers produziert das Kind, indem seine Nieren Urin bilden, den das Kind über die Harnwege in die Fruchthöhle ausscheidet. Der Urin macht mengenmässig den grössten Anteil des Fruchtwassers aus. Damit es nicht plötzlich zu viel Fruchtwasser in der Fruchthöhle hat bildet das Kind eine Art Kreislauf. In dem Kreislauf trinkt das Kind das Fruchtwasser, welches es hergestellt hat.

Im Darm des Kindes wird das Fruchtwasser ins Blut aufgenommen. Mit dem Blut gelangt es in die Nieren und wird dort wieder in Form von Urin ausgeschieden. Auf diese Weise bleibt die Menge an Fruchtwasser immer etwa gleich. Wird vom Kind zu viel Fruchtwasser getrunken oder zu wenig Urin produziert, hat es in der Fruchtblase zu wenig Fruchwasser, was in der Fachsprache Oligohydramnion genannt wird. Wird vom Kind zu wenig Fruchtwasser getrunken oder zu viel Urin produziert, enthält die Fruchtblase zu viel Fruchtwasser, was als Hydramnion beziehungsweise als Polyhydramnion bezeichnet wird.

Die normale Fruchtwassermenge beträgt in der 10. Schwangerschaftswoche etwa 30 Milliliter, in der 20. Schwangerschaftswoche etwa 350 Milliliter, in der 30. bis 34. Schwangerschaftswoche etwa 1000 Milliliter und zur Geburt etwa 800 Milliliter. Bereits ab der 4. Schwangerschaftswoche umgibt das Fruchtwasser den Embryo vollständig und verhindert damit Verwachsungen des Kindes mit der Innenseite der Fruchtblasenhülle. Das Fruchtwasser dient zudem als Schutzkissen für das Kind, indem es Stösse von Aussen abfängt, und ermöglicht es dem wachsenden Kind, sich zu bewegen. Eine weitere Funktion übernimmt das Fruchtwasser in der Eröffnungsphase der Geburt. Es unterstützt die Aufdehnung der Geburtswege. Diese Funktion kann das Fruchtwasser aber nur wahrnehmen, wenn der Blasensprung noch nicht erfolgt und die Fruchtblase noch intakt ist. Eine ausreichende Fruchtwassermenge ist zudem für die normale Ausreifung der Lungen des ungeborenen Kindes notwendig.

Ursachen

Die Ursachen für eine Vermehrung der Fruchtwassermenge sind entweder beim Kind, bei der Mutter oder bei Mutter und Kind zu suchen. Eine Vermehrung der Fruchtwassermenge kommt gehäuft vor bei Mehrlings-Schwangerschaften und hier speziell bei eineiigen Zwillings-Schwangerschaften mit Entwicklung eines sogenannten fetofetalen Transfusionssyndroms. Dabei handelt es sich um ein Ungleichgewicht des Blutaustausches zwischen den ungeborenen Kindern. Ein Kind erhält dabei zu viel Blut und macht zu viel Fruchtwasser, das andere Kind erhält zu wenig Blut und bildet zu wenig Fruchtwasser.

Gehäuft tritt eine Vermehrung der Fruchtwassermenge zudem bei Fehlbildungen im Bereich des Nervensystems oder des Verdauungstraktes des Kindes im Mutterleib auf. Diese Fehlbildungen führen zu einer Trinkstörung des ungeborenen Kindes und so zu einer Zunahme des Fruchtwassers in der Fruchtblase. Meistens handelt es sich dabei um Spaltbildungen des zentralen Nervensystems. Beispiele sind die Spina bifida oder die Anenzephalie. Bei der Spina bifida konnte die Wirbelsäule, die das Knochenmark umgibt, nicht richtig verwachsen, sodass der Rücken sozusagen offen ist. Es wird deshalb bei der Spina bifida auch von einem offenen Rücken gesprochen. Bei der Anenzephalie konnte sich die Schädeldecke nicht schliessen. Als Folge fehlen in unterschiedlichem Umfang Teile der Kopfhaut, des knöchernen Schädeldaches, der Hirnhäute und des Gehirns. Daneben sind häufige Fehlbildungen des Kindes, die eine Vermehrung des Fruchtwassers bewirken, Verschlüsse im Magen-Darm-Trakt, wie beispielsweise der Verschluss des Zwölffingerdarms bei der sogenannte Duodenalatresie oder der Verschluss der Speiseröhre bei der Ösophagusatresie.

Mütterliche Ursachen für eine Vermehrung der Fruchtwassermenge sind ein Diabetes mellitus, das heisst die Zuckerkrankheit der Mutter, eine Blutgruppenunverträglichkeit zwischen der Mutter und dem Kind, wie die Rhesusinkompatibilität, oder Infektionen wie Röteln, Toxoplasmose oder Syphilis, mit denen die Mutter das Kind während der Schwangerschaft angesteckt hat.

Äusserst selten wird eine Vermehrung der Fruchtwassermenge durch Störungen des Mutterkuchens verursacht.

Wird die Ursache des Hydramnions nicht gefunden, wird von einem idiopathischen Hydramnion gesprochen.

Symptome

Bei den Beschwerden, die durch eine zu grosse Menge an Fruchtwasser hervorgerufen werden, muss zwischen dem akuten und dem chronischen Hydramnion unterschieden werden. Das chronische Hydramnion entwickelt sich langsam über Wochen, sodass die Beschwerden nur langsam im Verlauf von Wochen zunehmen und deshalb teilweise gar nicht bemerkt werden. Das akute Hydramnion entsteht innerhalb weniger Tage, sodass die Beschwerden bei der Schwangeren schnell zunehmen und die Schwangere stark beeinträchtigen.

Die Schwangere bemerkt die vermehrte Fruchtwassermenge durch eine ungewöhnlich starke Zunahme des Bauchumfangs. Das Hydramnion führt oft zu erheblichen Beschwerden. Die vermehrte Fruchtwassermenge bewirkt eine starke Zunahme des Drucks im Bauchraum, was zu Schmerzen führen kann. Der Druck auf den Magen führt zu Schwierigkeiten beim Essen, der Druck auf die Blase zu häufigem Wasserlösen, der Druck auf den Darm zu Verstopfung. Durch den hohen Druck im Bauch kommt es auch zu Druck auf das Zwerchfell, was sich durch Atemnot der Schwangeren äussert. In den Beinen wird vermehrt Wasser eingelagert, sodass die Beine der Schwangeren geschwollen sind.

Diagnose

Bei der Untersuchung durch den Arzt fällt auf, dass die Gebärmutter zu gross für die Schwangerschaftswoche ist. Ausserdem ist die Gebärmutter beim Abtasten des Bauches meist prall und hart. Bei der Ultraschalluntersuchung sieht der Arzt, dass das Kind in der Gebärmutter von zuviel Fruchtwasser umgeben ist.

Die Ursache für die vermehrte Fruchtwassermenge kann unter anderem mittels Ultraschall und mittels einer Fruchtwasseruntersuchung gesucht werden.

Therapie

Beim chronischen Hydramnion, das sich langsam über Wochen entwickelt, muss die Grunderkrankung behandelt werden. So kann bei einem chronischen Hydramnion aufgrund eines Diabetes mellitus durch eine verbesserte Blutzuckereinstellung der Schwangeren die Fruchtwassermenge wieder normalisiert werden.

Liegt ein idiopathisches Hydramnion mit einer Vermehrung der Fruchtwassers vor, bei dem die Ursache nicht bekannt ist, kann die Ursache des Hydramnions nicht bekämpft werden. In diesen Fällen muss versucht werden, die vom Kind ausgeschiedene Urinmenge mit Medikamenten zu verringern. Beim akuten Hydramnion, das sich innerhalb einiger Tage entwickelt, ist häufig die sofortige Entbindung des Kindes notwendig. Der häufigste Grund für eine sofortige Entbindung von Seiten der Mutter ist die starke Atemnot, da die Mutter wegen der grossen Fruchtwassermenge, die auf das Zwerchfell und somit auf die Lunge drückt, nicht mehr richtig tief ein- und ausatmen kann. Andere Gründe für eine sofortige Entbindung von Seiten der Mutter sind Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch eine extrem starke Zunahme des Bauchumfangs und starke Wassereinlagerungen in den Beinen, die durch einen Verschluss einer Vene im Bereich des Beckens, eine sogenannte Beckenvenenthrombose, zustande kommen. Gründe für eine sofortige Entbindung von Seiten des ungeborenen Kindes sind Zeichen einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes beim Kind durch den hohen Druck in der Gebärmutter. Die Verschlechterung des Allgemeinzustandes des Kindes zeigt sich durch eine Abnahme oder Zunahme der Herzfrequenz des Kindes im Kardiotokogramm, mit dem die Herzfrequenz des Kindes gemessen wird.

Je nach Schwangerschaftswoche, in der die Vermehrung der Fruchtwassermenge auftritt, kann auch durch wiederholtes Ablassen des Fruchtwassers versucht werden, die Schwangerschaft noch länger fortzuführen, um so die Risiken einer Frühgeburt zu vermindern. Dazu wird eine Nadel durch die Bauchdecke der Mutter vorsichtig bis in die Fruchtblase des Kindes geschoben. Dass die Nadel am richtigen Ort liegt und nicht das Kind verletzt, wird dabei mit einem Ultraschallgerät kontrolliert. Das Fruchtwasser darf aber nur langsam über mehrere Stunden abgelassen werden, um eine Ablösung der Plazenta zu vermeiden. Diese Verminderung der Fruchtwassermenge muss in regelmässigen Zeitabständen bis zur Geburt wiederholt werden.

Geburt bei Hydramnion

Ab der 37. Schwangerschaftswoche kann versucht werden, das Kind vaginal, das heisst über den normalen Geburtsweg, zu entbinden. Bei einer ausgeprägten Vermehrung des Fruchtwassers wird die Fruchtblase durch den Arzt geöffnet und das Fruchtwasser möglichst langsam abgelassen.

Währenddessen wird der Zustand des Kindes im Mutterleib ständig mittels Herztonwehenschreibung, der sogenannten Kardiotokographie (CTG), überwacht. Tritt der Kopf des Kindes dann in das Becken der Mutter ein, treten häufig von selbst Wehen auf. In vielen Fällen müssen Wehen jedoch zusätzlich durch einen Wehentropf ausgelöst werden. Bei einer weniger ausgeprägten Vermehrung der Fruchtwassermenge wird die Geburt durch einen Wehentropf eingeleitet und die Fruchtblase erst dann durch einen Arzt geöffnet, wenn der Kopf des Kindes ins Becken eingetreten ist.

Kommt es bei einer vermehrten Fruchtwassermenge zu einer Frühgeburt, also zu einer Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche, wird meist ein Kaiserschnitt zur Entbindung durchgeführt, da eine Geburt über die normalen Geburtswege zu grosse Gefahren birgt. Auch bei einer Vermehrung des Fruchtwassers infolge Erkrankungen des Kindes, wie beispielsweise bei einer Rhesusunverträglichkeit, oder Erkrankungen der Mutter, wie beispielsweise einem Diabetes mellitus, wird meist ein Kaiserschnitt empfohlen.

Ist das Kind extrem unreif oder hat gleichzeitig verschiedene Fehlbildungen, die stark darauf hinweisen, dass das Kind nicht überleben wird, wird das Kind vaginal, also auf normalem Weg, entbunden, um nicht auch noch das Leben der Mutter mit einer Operation und deren Risiken zu gefährden.

Nach einer Schwangerschaft mit vermehrter Fruchtwassermenge sind starke Blutungen sowohl nach einer Geburt auf normalem Weg als auch nach einem Kaiserschnitt häufig, da sich die Gebärmutter, deren Muskeln durch die grossen Fruchtwassermengen überdehnt wurden, nach der Ausstossung des Mutterkuchens nicht mehr richtig zusammenziehen kann. Das Zusammenziehen der Gebärmutter ist aber zur Blutstillung nach der Ausstossung des Mutterkuchens notwendig. Man spricht dann von einer sogenannten Uterusatonie. Deshalb werden nach einer Schwangerschaft mit vermehrter Fruchtwassermenge das Zusammenziehen der Gebärmutter und die Stärke der Blutung nach der Geburt engmaschig kontrolliert und mit Medikamenten unterstützt.

Autor/in:Dr. Julia Feucht, Ärztin, Dr. med. Sidonie Achermann, Ärztin
Editor/in:Prof. Dr. med. Michel D. Müller, Facharzt für Gynäkologie
Keywords:Hydramnion, Hydramnie, Polyhydramnion, Polyhydramnie, Vermehrung des Fruchtwassers, Fruchtwasserüberschuss, Fruchtwasserüberproduktion, zu viel Fruchtwasser, Fetofetales Transfusionssyndrom, Fruchtblase, Fruchtwasser, Atemnot, Dyspnoe, Spina bifida, Duodenalatresie, Ösophagusatresie, Anenzephalie, Rhesusinkompatibilität, Syphilis, Röteln, Toxoplasmose
ICD-10:O40
Zuletzt geändert:05.11.2016Zum Seitenanfang
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