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Nebenschilddrüsenüberfunktion

Synonyme: Hyperparathyreoidismus, primärer, sekundärer, tertiärer oder reaktiver Hyperparathyreoidismus, Parathormonüberschuss, Parathormonüberproduktion

Zusammenfassung

Bei der Nebenschilddrüsenüberfunktion, dem sogenannten Hyperparathyreoidismus, hat es im Blut zu viel Parathormon. Es wird zwischen einer primären, einer sekundären und einer tertiären Nebenschilddrüsenüberfunktion mit unterschiedlichen Ursachen und Beschwerden unterschieden. Die Beschwerden der Nebenschilddrüsenüberfunktion kommen vor allem durch den Parathormonüberschuss und bei der primären Nebenschilddrüsenüberfunktion durch einen Kalziumüberschuss im Blut zustande.

Die Diagnose einer Nebenschilddrüsenüberfunktion wird mit Gespräch, körperlicher Untersuchung, Blutuntersuchungen, Ultraschalluntersuchung, Szintigraphie, Magnetresonanztomographie MRI und/oder Computertomographie CT gestellt. Die Behandlung der Nebenschilddrüsenüberfunktion hängt von ihrer Form, ihrer Ursache und ihren Beschwerden ab. Die Einnahme von Medikamenten und/oder eine Operation der Nebenschilddrüsen sind möglich.

Allgemeines

Bei der Überfunktion der Nebenschilddrüse, dem sogenannten Hyperparathyreoidismus, wird in einer oder mehreren Nebenschilddrüsen zu viel Parathormon produziert. Parathormon ist ein Botenstoff, der die Kalziummenge im Blut erhöht und damit an der Feineinstellung der Kalziummenge im Blut beteiligt ist. Für einen Überschuss des Parathormons können verschiedene Veränderungen im Körper verantwortlich sein.

Die Nebenschilddrüsen

Abbildung: Nebenschilddrüsen von der Seite
Nebenschilddrüsen von der Seite, Anatomie der Nebenschilddrüsen, Kehlkopf, Schilddrüse, Zungenbein

Die Nebenschilddrüsen bestehen aus meist vier kleinen, lebenswichtigen Körperchen. Diese Körperchen befinden sich im Hals hinter der Schilddrüse, unterhalb des Kehlkopfes (siehe Abbildung).
Die Nebenschilddrüsen produzieren das Parathormon. Das Parathormon erhöht im Blut die Menge an Kalzium und senkt die Menge an Phosphat. Die Menge an Kalzium im Blut erhöht das Parathormon, indem es vermehrt Knochen abbaut, der der Hauptspeicher für Kalzium ist, und indem es der Niere sagt, sie soll weniger Kalzium mit dem Urin ausscheiden. Die Menge an Phosphat im Blut senkt das Parathormon, indem es der Niere sagt, sie müsse mehr Phosphat mit dem Urin aus dem Körper ausscheiden.

Kalzium und Phosphat werden im Körper hauptsächlich im Knochen gespeichert und sorgen für die Stabilität des Knochens. Kalzium ist für viele Prozesse im menschlichen Körper wie den Knochenbau, die Blutgerinnung sowie die Muskel- und die Nervenfunktion verantwortlich. Phosphat ist ebenfalls für den Knochenbau und zusätzlich für den Energiestoffwechsel im Körper zuständig.

Zur Feineinstellung der Menge an Kalzium und an Phosphat im Blut ist das Parathormon in zwei Regelkreise eingebunden. Diese zwei Regelkreisläufe arbeiten bei der Feineinstellung der Menge an Kalzium im Blut eng zusammen.

Den einen Regelkreis bildet das Parathormon mit dem Calcitonin. Das Parathormon und das Calcitonin stellen in diesem Regelkreislauf die Menge an Kalzium fein ein. Das Calcitonin senkt als Gegenspieler des Parathormons die Menge an Kalzium im Blut, indem es das Kalzium aus dem Blut in die Knochen einbaut. Calcitonin ist ein Botenstoff, der von den C-Zellen der Schilddrüse gebildet wird.

Den anderen Regelkreis bildet das Parathormon mit dem Vitamin D. Das Parathormon und das Vitamin D stellen in diesem Regelkreislauf die Menge an Kalzium und an Phosphat im Blut fein ein. Vitamin D erhöht ähnlich wie das Parathormon die Menge an Kalzium im Blut, indem es dem Darm befiehlt, mehr Kalzium aus der Nahrung in den Körper aufzunehmen. Gleichzeitig wirkt das Vitamin D dem Parathormon entgegen und senkt die Menge an Kalzium im Blut, indem es wieder mehr Kalzium und Phosphat in den Knochen einbaut. Auf diese Weise wird verhindert, dass der Knochen mit der Zeit an Stabilität verliert und bricht. Zudem erhöht das Vitamin D die Menge an Phosphat im Blut, indem es der Niere befiehlt, weniger Phosphat mit dem Urin auszuscheiden, und indem es den Nebenschilddrüsen befiehlt, weniger Parathormon herzustellen.

Formen und Ursachen

In Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Veränderung im Körper wird zwischen einer primären, einer sekundären und einer tertiären Nebenschilddrüsenüberfunktion unterschieden. Bei der primären Nebenschilddrüsenüberfunktion ist die Nebenschilddrüse selbst erkrankt und stellt deshalb zu viel Parathormon her. Bei der sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion wird die Nebenschilddrüse durch eine Erkrankung irgendwo anders im Körper zu einer vermehrten Parathormonproduktion gedrängt.

Das Gewebe der Nebenschilddrüse selbst ist normal. Von einer tertiären Nebenschilddrüsenüberfunktion wird gesprochen, wenn das Gewebe der Nebenschilddrüse bei einer sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion durch einen Fehler verändert wird und in der Folge so viel Parathormon herstellt wie es möchte, nicht so viel wie der Körper braucht.

Primäre Nebenschilddrüsenüberfunktion

Bei der primären Nebenschilddrüsenüberfunktion, dem sogenannten primären Hyperparathyreoidismus, ist die Nebenschilddrüse selbst verändert und produziert deshalb so viel Parathormon, wie sie will, nicht so viel wie der Körper braucht.

Die häufigste Veränderung der Nebenschilddrüsen, die zu einer Überproduktion an Parathormon führt, ist die Grössenzunahme der Nebenschilddrüse. Zu einer solchen Grössenzunahme der Nebenschilddrüse mit vermehrter Parathormonproduktion kommt es meistens bei einem gutartigen Tumor der Nebenschilddrüse, einem sogenannten Adenom, oder aber bei einer sogenannten Hyperplasie der Nebenschilddrüsen. Gutartige Tumoren der Nebenschilddrüse können eine Grössenzunahme von meist einem, aber auch mehreren oder gar allen Nebenschilddrüsenkörperchen bewirken. Bei einem Tumor treten aus einem bisher nicht bekannten Grund Fehler in den Zellen eines Gewebes auf. Diese fehlerhaften Zellen teilen sich so oft sie wollen und richten sich nicht mehr nach den Anforderungen des Körpers.

Die fehlerhaften Zellen der Tumoren der Nebenschilddrüsen stellen zudem so viel Parathormon her, wie sie wollen, nicht so viel wie der Körper braucht. Eine primäre Nebenschilddrüsenüberfunktion kann aber auch durch eine gleichmässige Grössenzunahme aller Nebenschilddrüsen zustande kommen. In diesem Fall wird in der Fachsprache von einer Hyperplasie der Nebenschilddrüsen gesprochen.

Was der Auslöser einer derartigen Hyperplasie ist, konnte bisher nicht vollständig geklärt werden. Aus irgendeinem Grund tritt bei einigen Menschen ein Fehler in den Nebenschilddrüsenzellen auf, sodass das Nebenschilddrüsengewebe sich ungehemmt vermehrt und beliebig viel Parathormon produziert. Diese fehlerhaften Zellen richten sich nicht mehr nach den Anforderungen des Körpers. Es interessiert sie nicht, ob zu viel oder zu wenig Kalzium im Blut vorhanden ist. Die Nebenschilddrüsen wachsen und produzieren so viel Parathormon, wie sie können, nicht so viel wie der Körper braucht. Ein Parathormonüberschuss und dadurch eine Zunahme der Menge an Kalzium im Blut sind die Folge.

Bei etwa 10 % der Betroffenen liegt ein primärer Hyperparathyreoidismus im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie MEN vor. Bei der multiplen endokrinen Neoplasie leiden Betroffene an gutartigen, aber auch bösartigen Tumoren verschiedener hormonproduzierender Organe. Es besteht ein Fehler in der Erbinformation, der in betroffenen Familien von einer Generation auf die nächste vererbt werden kann.

Sehr selten ist ein bösartiger Tumor in den Nebenschilddrüsen, ein sogenanntes Nebenschilddrüsenkarzinom, für einen primären Hyperparathyreoidismus verantwortlich.

Sekundäre Nebenchilddrüsenüberfunktion

Bei der sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion, dem sogenannten sekundären Hyperparathyreoidismus, wird wie beim primären Hyperparathyreoidismus in den Nebenschilddrüsen zu viel Parathormon produziert. Der Grund für diese Parathormonüberproduktion liegt aber nicht in einer Veränderung der Nebenschilddrüsen selbst. Die Nebenschilddrüsen reagieren lediglich auf eine Veränderung irgendwo im Körper, die im Blut zu einem Mangel an Vitamin D oder an Kalzium führt. Die Nebenschilddrüsen versuchen mit der gesteigerten Parathormonproduktion, den Vitamin D- und Kalziummangel im Blut zu beheben. Besteht ein sekundärer Hyperparathyreoidismus über längere Zeit, nehmen die Nebenschilddrüsen sogar an Grösse zu, damit sie genügend Parathormon produzieren können, um die Menge an Vitamin D und an Kalzium im Körper zu normalisieren. Im Gegensatz zum primären Hyperparathyreoidismus sind immer alle Nebenschilddrüsenkörperchen von der Grössenzunahme betroffen.

Heutzutage ist der häufigste Grund für eine sekundäre Nebenschilddrüsenüberfunktion ein chronisches Nierenversagen, das zu einem Vitamin D-Mangel führt. Beim chronischen Nierenversagen kann die Niere nicht mehr alle ihre Aufgaben erfüllen. Zu den Aufgaben der Niere gehört unter anderem die Bereitstellung von Vitamin D. Vitamin D ist ein Botenstoff, der in einer noch nicht gebrauchsfertigen Form mit der Nahrung aufgenommen und im Körper mit Hilfe von Leber und Niere fertiggestellt wird. Beim gesunden Menschen hilft Vitamin D dem Parathormon, die Menge an Kalzium im Blut bei einem Kalziummangel zu normalisieren, und hemmt gleichzeitig die Produktion von Parathormon in den Nebenschilddrüsenkörperchen, um einen Kalziumüberschuss im Blut zu verhindern.

Bei einem chronischen Nierenversagen ist die Niere aber nicht mehr in der Lage genügend Vitamin D bereitzustellen, wodurch die Menge an Vitamin D im Blut sinkt. Wenn die Menge an Vitamin D im Blut sinkt, sinkt auch die Menge an Kalzium im Blut. Die Nebenschilddrüse bemerkt, dass die Menge an Kalzium im Blut tief ist und produziert deshalb eine grössere Menge an Parathormon. Dem Parathormon gelingt es ohne das Vitamin D aber kaum, die Menge an Kalzium im Blut zu normalisieren. Deshalb nehmen alle Nebenschilddrüsenkörperchen an Grösse zu, um die Produktionsmenge an Parathormon noch zusätzlich zu steigern und den Bedarf des Körpers an Kalzium zu decken. Durch den Mangel an Vitamin D im Körper wird ausserdem die Parathormonproduktion in den Nebenschilddrüsen nicht mehr gehemmt und es kommt auch dadurch zu einem Parathormonüberschuss.

Ein Mangel an Vitamin D im Blut entsteht ausser beim chronischen Nierenversagen auch bei einem Mangel an Sonnenlicht, bei einer Leberzirrhose oder einer Störung des Galleabflusses. Denn das Sonnenlicht und die Leber helfen der Niere bei der Fertigstellung des Vitamin D, das in noch nicht gebrauchsfertiger Form mit der Nahrung in den Körper aufgenommen wurde. Die Galle ist im Darm zur Aufnahme des Vitamin D aus der Nahrung notwendig. Auch in diesen Fällen kann es durch den Mangel an Vitamin D im Blut zu einer sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion kommen.

Ein Mangel an Kalzium im Blut kann auch zu einer sekundären Nebenschilddrüsenunterfunktion führen. Ein Mangel an Kalzium im Blut wird durch eine zu geringe Kalziumaufnahme mit der Nahrung oder durch einen vermehrten Kalziumverlust mit dem Urin hervorgerufen. Häufige Ursachen für eine solche sekundäre Nebenschilddrüsenüberfunktion sind Erkrankungen des Darmes, beispielsweise eine Zöliakie, ein Morbus Crohn oder eine Colitis ulcerosa. Teilweise kann auch eine falsche, kalziumarme Ernährung zu einem Kalziummangel führen. Die Nebenschilddrüsen versuchen, durch eine gesteigerte Produktion von Parathormon die Menge an Kalzium im Blut zu normalisieren. Dies gelingt den Nebenschilddrüsen aber nicht, solange die zugrunde liegende Erkrankung weiter besteht, auch wenn die Nebenschilddrüsenkörperchen an Grösse zunehmen und immer mehr und mehr Parathormon produzieren. Ein Überschuss an Parathormon ist die Folge.

Tertiäre Nebenschilddrüsenüberfunktion

Bei der sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion führt eine Veränderung irgendwo im Körper zu einem Mangel an Vitamin D oder an Kalzium im Blut. Die Nebenschilddrüsen versuchen mit einer gesteigerten Parathormonproduktion, den Vitamin D- und Kalziummangel im Blut zu beheben. Damit die Nebenschilddrüsen auch genügend Parathormon produzieren können, um die Menge an Vitamin D und an Kalzium im Körper zu normalisieren, nehmen sie an Grösse zu. Irgendwann während der Vermehrung des Nebenschilddrüsengewebes können sich in einzelne Zellen der Nebenschilddrüse Fehler einschleichen. Die Nebenschilddrüsenzellen mit den Fehlern hören nicht mehr auf die Anordnungen des Körpers. Sie sind autonom. Diese fehlerhaften Zellen der Nebenschilddrüsen produzieren so viel Parathormon, wie sie wollen, nicht so viel wie der Körper braucht. Der daraus entstehende Parathormonüberschuss wird tertiäre Nebenschilddrüsenüberfunktion oder in der Fachsprache tertiärer Hyperparathyreoidismus genannt.

Eine Spezialform eines Hyperparathyreoidismus kann bei gewissen bösartigen Tumorerkrankungen im Körper auftreten. Diese bösartigen Tumoren produzieren Substanzen, die dem Parathormon sehr ähnlich sind. Die Substanzen haben deshalb die gleiche Wirkung im Körper wie das Parathormon selbst. Die dem Parathormon ähnlichen Substanzen dieser bösartigen Tumoren täuschen im Betroffenen deshalb einen primären Hyperparathyreoidismus vor.

Selten entgleist eine Parathormonüberfunktion, das heisst die Menge an Parathormon und damit auch die Menge an Kalzium nimmt im Blut massiv zu. Die starke Zunahme der Menge an Kalzium im Blut führt zu einem lebensbedrohlichen hyperkalzämischen Koma.

Symptome

Primäre Nebenschilddrüsenüberfunktion

Abbildung 1: Beschwerden bei einer Überfunktion der Nebenschilddrüsen
Beschwerden bei einer Überfunktion der Nebenschilddrüsen, Symptome bei einer Überproduktion der Nebenschilddrüsen

Bei der primären Nebenschilddrüsenüberfunktion, dem sogenannten primären Hyperparathyreoidismus, können die Betroffenen einerseits durch den Parathormonüberschuss, andererseits durch die zu hohe Kalziummenge im Blut eine breite Palette an Beschwerden aufweisen (siehe Abbildung 1). Die Beschwerden werden oft mit den Worten Stein-Bein-Magenpein umfasst. Aber nur die Hälfte aller Betroffenen eines primären Hyperparathyreoidismus entwickelt überhaupt Beschwerden.

Auf Anweisung der grossen Menge an Parathormon im Blut scheiden die Nieren weniger Kalzium mit dem Urin aus und nehmen vermehrt Kalzium aus dem Urin zurück ins Nierengewebe und damit in den Körper auf. Die Kalziummenge im Blut nimmt dadurch zu. Sobald eine gewisse Kalziummenge im Blut überschritten wird, ist die Niere nicht mehr in der Lage, all das Kalzium aus dem Urin zu filtern und zurück in den Körper aufzunehmen. So wird nun wieder vermehrt Kalzium mit dem Urin ausgeschieden. Durch die vermehrte Kalziummenge im Urin können sich immer wieder Nierensteine bilden und dem Betroffenen starke, meist kolikartige Schmerzen sowie Probleme beim Wasserlösen zufügen. Ausser in den Nieren treten Steinbildungen beim Parathormonüberschuss auch in der Bauchspeicheldrüse und der Gallenblase auf. Verstopft ein solcher Stein die Bauchspeicheldrüsen- und die Gallenwege, entsteht eine äusserst schmerzhafte, teils lebensbedrohliche Bauchspeicheldrüsenentzündung, eine sogenannte akute Pankreatitis.

Durch die veränderte Menge an Parathormon wird das Gleichgewicht zwischen dem Knochenabbau und -aufbau gestört, da auf Anordnung des Parathormons zu viel Kalzium aus dem Knochen herausgelöst wird. Ein vermehrter Knochenabbau ist die Folge. Betroffene verspüren Gelenk- und RückenschmerzenChronische Rückenschmerzen. Zudem verliert der Knochen an Stabilität, sodass schon bei geringen Krafteinwirkungen Knochenbrüche auftreten. Bei dem Stabilitätsverlust mit einer vermehrten Brüchigkeit des Knochens wird in der Medizin von einer sogenannten Osteopenie oder Osteoporose gesprochen. Betroffene Kleinkinder leiden an Kleinwuchs.

Auf bisher noch nicht vollständig geklärte Art und Weise führt der Parathormonüberschuss zu einer übermässigen Produktion an Magensäure. Die Magensäure greift die Schleimhaut des Magens und vereinzelt auch des Zwölffingerdarms an und führt zu Entzündungen bis hin zum Geschwür, in der Fachsprache Ulcus genannt. Ein Geschwür kann bei Betroffenen zu starken Bauchschmerzen, blutigem Erbrechen oder schwarzem Stuhl führen.

Kalzium wirkt bei verschiedenen Prozessen im menschlichen Körper mit. Bei einem Kalziumüberschuss im Blut, Hyperkalzämie genannt, sind folglich verschiedenste Veränderungen bei den Betroffenen möglich. Diese Veränderungen werden unter dem Begriff Hyperkalzämiesyndrom zusammengefasst. Mögliche psychische Veränderungen sind Leistungseinbrüche, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Gedächtnisstörungen oder depressive Verstimmungen. Durch die erhöhte Kalziummenge im Urin müssen die Betroffenen vermehrt Wasserlösen, bis zu mehreren Litern pro Tag. Dadurch verspürt der Betroffene vermehrten Durst. Beschwerden im Verdauungssystem können Appetitlosigkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust und Verstopfung sein. Wird eine gewisse Menge an Kalzium im Blut überschritten, lagert sich das Kalzium an Gefässwänden, in Gelenken und in anderen Geweben ab. Gefässverkalkungen mit Bluthochdruck, Knorpelverkalkungen mit Gelenkschmerzen, einer sogenannten Pseudogicht, Nierenverkalkungen mit chronischem Nierenversagen und Herzmuskelverkalkungen mit Herzfrequenzerhöhungen und Rhythmusstörungen sind mögliche Folgen. Oft beschreiben Betroffene einen äusserst lästigen Juckreiz, der wahrscheinlich wegen Kalziumablagerungen in der Haut auftritt. Bei länger anhaltender Erkrankung werden die Muskeln betroffen. Eine Muskelschwäche insbesondere der Oberschenkel tritt auf, sodass Betroffene kaum noch ohne Hilfe aus dem Sitzen aufstehen können.

Hyperkalzämisches Koma

Selten kann das Hyperkalzämiesyndrom durch eine starke Zunahme des Parathormons und des Kalziums im Blut ausser Kontrolle geraten. Die Nieren hören dann auf zu arbeiten. Die für den Körper giftigen Substanzen, die eigentlich mit dem Urin ausgeschieden werden sollten, steigen im Blut an. Der Betroffene fällt in ein sogenanntes hyperkalzämisches Koma. Eine Therapie muss unverzüglich im Spital, am besten auf einer Intensivstation, erfolgen. Trotz richtiger und rechtzeitiger Therapie sterben heutzutage noch immer etwa 20 % der Personen, die an einem hyperkalzämischen Koma erkrankt sind.

Sekundäre Nebenschilddrüsenüberfunktion

Bei der sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion, dem sogenannten sekundären Hyperparathyreoidismus, ist die Menge an Vitamin D oder an Kalzium im Blut aufgrund einer anderen Erkrankung im Körper zu niedrig. Die Nebenschilddrüsen versuchen mit der Parathormonüberproduktion die Menge an Vitamin D und an Kalzium im Blut zu normalisieren, was ihnen kaum gelingt. Betroffene einer sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion leiden hauptsächlich an den Beschwerden derjenigen Erkrankung, die den Parathormonüberschuss in der Nebenschilddrüse verursacht.

Die durch die vermehrte Menge an Parathormon verursachten Beschwerden (siehe Abbildung 1), die bei der primären Nebenschilddrüsenüberfunktion bereits beschrieben wurden, treten zu den Beschwerden aufgrund der zugrunde liegenden Erkrankung hinzu. So wird beim sekundären Hyperparathyreoidismus vor allem das Gleichgewicht zwischen dem Knochenabbau und -aufbau gestört, da auf Anordnung des Parathormons zu viel Kalzium aus dem Knochen herausgelöst wird. Ein vermehrter Knochenabbau ist die Folge. Betroffene verspüren Gelenk- und Rückenschmerzen. Zudem verliert der Knochen an Stabilität, sodass bei geringen Krafteinwirkungen Knochenbrüche auftreten. Bei dem Stabilitätsverlust mit einer vermehrten Brüchigkeit des Knochens wird in der Medizin von einer sogenannten Osteopenie oder Osteoporose gesprochen. Bei Kindern ist wie beim primären Hyperparathyreoidismus ein Kleinwuchs die Folge.

Die Menge an Kalzium im Blut ist bei der sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion meist normal oder zu gering. Besteht ein Kalziummangel im Blut, können Fühlstörungen und Muskelkrämpfe auftreten.

Tertiäre Nebenschilddrüsenüberfunktion

Die tertiäre Nebenschilddrüsenüberfunktion, der sogenannte tertiäre Hyperparathyreoidismus, entsteht aus einer sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion durch einen Fehler in den sich vermehrenden Zellen der Nebenschilddrüsen. Diese fehlerhaften Zellen der Nebenschilddrüsen produzieren wie bei der primären Nebenschilddrüsenüberfunktion ungehemmt Parathormon. Die Folge ist ein Parathormonüberschuss und ein Kalziumüberschuss.

Betroffene einer tertiären Nebenschilddrüsenüberfunktion leiden an den Beschwerden derjenigen Erkrankung, die die sekundäre Nebenschilddrüsenüberfunktion verursacht hat, und an den Beschwerden durch den Parathormon- und den Kalziumüberschuss (siehe Abbildung 1). Die Beschwerden durch den Parathormon- und den Kalziumüberschuss wurden bereits weiter oben bei der primären Nebenschilddrüsenüberfunktion beschrieben.

Diagnose

Bemerken Personen Veränderungen im Sinne eines Parathormonüberschusses, sollten sie einen Arzt zur weiteren Abklärung und bei Bedarf zur Behandlung aufsuchen. Sehr oft wird die Diagnose eines Parathormonüberschusses aber zufällig bei einer Routineuntersuchung aufgrund einer erhöhten Menge an Kalzium im Blut gestellt, da die Beschwerden eines Hyperparathyreoidismus einerseits nicht nur bei dieser Erkrankung vorkommen und andererseits nur etwa die Hälfte aller Betroffenen überhaupt Beschwerden aufweist.

Der Arzt wird den Betroffenen in einem ausführlichen Gespräch nach Beschwerden und Veränderungen fragen, die ihm einen Hinweis auf einen Parathormonüberschuss geben. Weiter wird er sich nach durchgemachten oder noch anhaltenden Erkrankungen und Therapien erkunden, die einen Parathormonüberschuss erzeugen können. Vor allem immer wieder auftretende Nierensteine sind ein Hinweis auf einen Parathormonüberschuss. Anschliessend wird der Arzt den Betroffenen von Kopf bis Fuss untersuchen, da sich Veränderungen im Rahmen eines Parathormonüberschusses überall am Körper zeigen können. In einer Blutentnahme wird die Menge an Parathormon und Kalzium im Blut gemessen. Beim primären Hyperparathyreoidismus sind sowohl das Parathormon als auch das Kalzium im Blut erhöht. Beim sekundären Hyperparathyreoidismus ist nur das Parathormon im Blut erhöht. Das Kalzium ist in normaler oder gar verminderter Menge im Blut enthalten.

Besteht der Verdacht auf eine primäre Nebenschilddrüsenüberfunktion, muss festgestellt werden, wo sich die veränderten Nebenschilddrüsenkörperchen befinden. Normalerweise befinden sich die Nebenschilddrüsenkörperchen im Hals. Zum Teil gibt es aber auch Nebenschilddrüsenkörperchen im Brustkorb. Teilweise lassen sich mit einem Ultraschallgerät vergrösserte Nebenschilddrüsen im Hals darstellen. Dabei ist es aber schwierig, mit einem Ultraschallgerät vergrösserte Nebenschilddrüsen von anderen Strukturen im Hals, beispielsweise Lymphknoten, zu unterscheiden. Ausserdem können Nebenschilddrüsen im oberen Brustkorb nicht mit einem Ultraschall gefunden werden, da die Rippen und das Brustbein eine Ultraschalluntersuchung in diesem Bereich verhindern.

Bei Unklarheit bezüglich der Lage der Nebenschilddrüse kann eine spezielle Szintigraphie weiterhelfen und den Ort, an dem sich die einzelnen Nebenschilddrüsenkörperchen befinden, näher bestimmen. Eine Szintigraphie ist eine Untersuchung, bei der radioaktiv markierte Stoffe in den Körper eingebracht werden, die sich im zu untersuchenden Organ anreichern und anschliessend mit einer speziellen Kamera sichtbar gemacht werden können. Eine Magnetresonanztomographie MRI oder eine Computertomographie CT können zusätzlich zur exakten Ortsbestimmung der Nebenschilddrüsenkörperchen durchgeführt werden. Meist sind ein MRI und ein CT aber nur notwendig, wenn die Nebenschilddrüsen nicht hinter der Schilddrüse, sondern im Brustkorb liegen. Können die Nebenschilddrüsen, die zu viel Parathormon produzieren, mit Hilfe der oben genannten Untersuchungen nicht gefunden werden, kann eine Messung der Parathormonmenge direkt in einzelnen Blutgefässen durchgeführt werden. Diese aufwendige Untersuchung ist heutzutage aber nur noch in wenigen Fällen notwendig.

Beim sekundären Hyperparathyreoidismus muss nach der sogenannten Grunderkrankung, die die Nebenschilddrüse dazu gebracht hat zuviel Parathormon herzustellen, gesucht werden, wenn die Grunderkrankung zum Zeitpunkt der Feststellung eines Parathormonoüberschusses nicht bereits bekannt ist.

Therapie

ei der primären Nebenschilddrüsenüberfunktion wird dem Betroffenen, insbesondere wenn er Beschwerden hat, eine operative Entfernung derjenigen Nebenschilddrüsenkörperchen, welche vergrössert sind und zuviel Parathormone produzieren, empfohlen. Da das Parathormon aber lebenswichtig ist und in der Regel nur durch das Nebenschilddrüsengewebe produziert wird, darf das Nebenschilddrüsengewebe nicht vollständig entfernt werden.

Sind alle vier Nebenschilddrüsenkörperchen vergrössert, werden drei Nebenschilddrüsenkörperchen vollständig entnommen und vom vierten noch ein Teil im Körper belassen. Nach der Operation muss regelmässig die Menge an Kalzium im Blut kontrolliert und der Betroffene nach Beschwerden befragt werden. So wird ein Parathormonmangel mit einem Kalziummangel im Blut, der durch die Entfernung von zuviel Nebenschilddrüsengewebe entsteht und zu schwerwiegenden Beschwerden wie Krämpfen führen kann, frühzeitig bemerkt und kann behandelt werden.

Ist eine Operation bei einem Betroffenen nicht oder nicht sofort möglich, wird mit verschiedenen Massnahmen versucht, die durch den Parathormonüberschuss erhöhte Kalziummenge im Blut zu senken. So soll der Betroffene eine ausreichende Flüssigkeitsmenge zu sich nehmen, um das Kalzium im Urin zu verdünnen und dadurch das Auftreten von Nierensteinen zu verhindern. Auf den Konsum von Milchprodukten sollte der Betroffene verzichten, da diese viel Kalzium enthalten. Zudem kann die zu hohe Kalziummenge im Blut mit bestimmten Medikamenten gesenkt werden. Bisphosphonate verhindern den Knochenabbau und fördern den Kalziumeinbau in den Knochen. Dadurch sinkt die Kalziummenge im Blut und dem vom Parathormon verursachten Knochenabbau wird entgegengewirkt. Die Gabe von Calcitonin, dem Gegenspieler des Parathormons, wirkt dem Knochenabbau zusätzlich entgegen und senkt die Kalziummenge im Blut. Auch kann mit Cinacalcet, einem neuen Medikament, die Menge an Parathormon im Blut vermindert werden, wenn eine Nebenschilddrüsenoperation aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist.

Bei der sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion ist die Grunderkrankung zu behandeln, welche den Parathormonüberschuss bewirkt hat. Nach erfolgreicher Therapie der Grunderkrankung wird sich die Kalziummenge im Blut und in der Folge auch die Parathormonproduktion in den Nebenschilddrüsen normalisieren. Kann die Grunderkrankung eines sekundären Hyperparathyreoidismus aber nicht geheilt werden und der Betroffene weist Beschwerden auf, können wie bei der primären Nebenschilddrüsenüberfunktion in einer Operation drei der Nebenschilddrüsenkörperchen vollständig und das vierte teilweise entfernt werden.

Auch bei der sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion können bis zur erfolgreichen Therapie der Grunderkrankung oder der Nebenschilddrüsenoperation mit der Gabe von Kalzium und gewissen Medikamenten den Betroffenen die Beschwerden genommen oder zumindest gelindert werden. Die Einnahme von Vitamin D erhöht einerseits die Kalziummenge im Blut, sodass die Parathormonproduktion in den Nebenschilddrüsen rückläufig ist, andererseits hemmt Vitamin D die Produktion von Parathormon in den Nebenschilddrüsen direkt. Mit Bisphosphonaten wird dem Knochenabbau durch das Parathormon entgegen gesteuert, da Bisphosphonate den Knochenabbau verhindern und den Einbau von Kalzium in den Knochen fördern. Daneben kann Cinacalcet, ein neues Medikament, zur Verminderung der Menge an Parathormon im Blut beim sekundären Hyperparathyreoidismus gebraucht werden.

Bleibt die Menge an Parathormon im Blut trotz erfolgreicher Therapie der Grunderkrankung der sekundären Nebenschilddrüsenüberfunktion zu hoch, bedeutet das, dass die sekundäre Nebenschilddrüsenüberfunktion bereits in eine tertiäre Nebenschilddrüsenüberfunktion übergegangen ist. Es haben sich also in einzelnen Zellen der Nebenschilddrüsen während dem anhaltenden Wachstum mit dem Ziel, die Menge an Kalzium und an Vitamin D im Blut ausgleichen zu können, Fehler eingeschlichen. Durch die Fehler sind die Zellen vollkommen selbstständig geworden und gehorchen nicht mehr den Anordnungen des Körpers. Sie sind autonom. Diese Zellen produzieren nicht mehr so viel Parathormon wie der Körper braucht, sondern so viel wie sie möchten.

Beim tertiären Hyperparathyreoidismus sollte die Behandlung der Grunderkrankung durch eine Operation, bei der drei der Nebenschilddrüsenkörperchen vollständig und das vierte teilweise entfernt werden, und durch eine Senkung der Kalziummenge im Blut mit Medikamenten ergänzt werden. Zur Senkung des Kalziums im Blut können wie bei der primären Nebenschilddrüsenüberfunktion Bisphosphonate und Calcitonin verwendet werden. Bisphosphonate verhindern den Knochenabbau und fördern den Kalziumeinbau in den Knochen. Dadurch sinkt die Kalziummenge im Blut und dem vom Parathormon verursachten Knochenabbau wird entgegengewirkt. Die Gabe von Calcitonin, dem Gegenspieler des Parathormons, senkt die Kalziummenge im Blut zusätzlich und wirkt dem Knochenabbau entgegen.

Autor/in:Dr. med. Sidonie Achermann, Ärztin, Dr. Julia Feucht, Ärztin
Editor/in:Dr. med. Doris de Marco Stalder, Endokrinologie-Diabetologie FMH
Keywords:Nebenschilddrüsenüberfunktion, Hyperparathyreoidismus, Primärer Hyperparathyreoidismus, Sekundärer Hyperparathyreoidismus, Tertiärer Hyperparathyreoidismus, Reaktiver Hyperparathyreoidismus, Parathormonüberschuss, Parathormonüberproduktion, Überschuss an Parathormon, Parathormon, Kalzium, Calcium, Vitamin D, Hyperkalzämie, Hyperkalzämiesyndrom, hyperkalzämisches Koma, multiple endokrine Neoplasie, MEN, Nierensteine, Pankreatitis, Bauchspeicheldrüsenentzündung
ICD-10:E21.0, E21.1, E21.2, E21.3
Zuletzt geändert:06.11.2016Zum Seitenanfang
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