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Androgenüberschuss

Synonyme: Androgenüberproduktion, Überproduktion männlicher Sexualhormone, Überschuss männlicher Sexualhormone

Zusammenfassung

Bei einem Androgenüberschuss werden zu viele männliche Sexualhormone hergestellt. Ein Androgenüberschuss kommt bei einem Nebennierenrindentumor, einer Nebennierenrindenvergrösserung, einem adrenogenitalen Syndrom oder einem Morbus Cushing vor. Der Überschuss an männlichen Sexualhormonen führt bei Frauen zu einer Vermännlichung des äusseren Erscheinungsbildes. Die Behandlung eines Androgenüberschusses ist von der Ursache der Erkrankung abhängig.

Allgemeines

Bei einem Androgenüberschuss hat es eine zu grosse Menge an Androgenen im Blut. Androgene sind die männlichen Sexualhormone. Männliche Sexualhormone werden bei Mann und Frau in geringer Menge in der Nebennierenrinde hergestellt. Beim Mann wird der grosse Rest der männlichen Sexualhormone, die der männliche Körper benötigt, in den Hoden produziert. Bei der Frau wird zusätzlich zu der Produktion von Androgenen in der Nebennierenrinde eine geringe Menge an männlichen Sexualhormonen in den Eierstöcken hergestellt. Insgesamt ist bei der Frau die Menge an männlichen Sexualhormonen im Blut normalerweise nur sehr klein. Diese Menge an männlichen Sexualhormonen nimmt bei einem Androgenüberschuss deutlich zu.

Die Nebennieren

Abbildung: Nebennieren
Lage der Nebennieren, Darstellung der Nebennieren

Die Nebennieren sind zwei kleine lebenswichtige Organe, die im Bauchraum direkt oben auf  den Nieren liegen (siehe Abbildung). Die Nebennieren bestehen aus dem Nebennierenmark und der Nebennierenrinde. Dabei befindet sich im Innern der Nebenniere das Nebennierenmark. Umhüllt wird das Nebennierenmark von der Nebennierenrinde. Das Nebennierenmark und die Nebennierenrinde haben verschiedene Funktionen und arbeiten unabhängig voneinander.

Das Nebennierenmark bildet die Katecholamine Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin. Dies sind Stresshormone, die in Stresssituationen dafür sorgen, dass der Körper optimal reagieren kann, unter anderem indem sie ihm Energie zur Verfügung stellen. Die Nebennierenrinde bildet drei unterschiedliche Hormongruppen. In der äussersten Schicht der Nebennierenrinde werden sogenannte Mineralokortikoide wie Aldosteron produziert. Sie regulieren den Salz- und Wasserhaushalt im Körper.

In der mittleren Schicht der Nebennierenrinde werden sogenannte Glukokortikoide wie Kortisol hergestellt. Die Glukokortikoide haben zahlreiche Aufgaben im menschlichen Körper. Sie wirken auf den Zucker-, Eiweiss- und Fettstoffwechsel, den Wasser- und Salzhaushalt, das Bindegewebe und den Knochen, auf Entzündungsmechanismen und das Abwehrsystem, die Haut und das Knochenmark, das Herzkreislauf- und das Nervensystem. In der innersten Schicht produziert die Nebennierenrinde überwiegend männliche Sexualhormone, sogenannte Androgene, und nur sehr wenige weibliche Sexualhormone, sogenannte Östrogene. Die Sexualhormone sind an der Geschlechtsfunktion und der Ausbildung der weiblichen und männlichen Geschlechtsmerkmale beteiligt. Zur Produktion aller Hormone benötigt die Nebennierenrinde Cholesterin, welches einerseits vom Körper selbst hergestellt wird und andererseits im Darm aus der Nahrung aufgenommen wird.

Die Produktion von Katecholaminen im Nebennierenmark wird durch einen gewissen Anteil des Nervensystems gesteuert. Die Produktion von Mineralokortikoiden, Glukokortikoiden und Sexualhormonen in der Nebennierenrinde wird durch ein gewisses Areal des Gehirns, den Hypothalamus, und durch die Hirnanhangsdrüse geregelt. Die Herstellung von Mineralokortikoiden wird zudem durch die Nebennierenrinde selbst und durch einen komplizierten Regelkreislauf zwischen Niere, Blut und Nebennierenrinde, durch das sogenannte Renin-Angiotensin-Aldosteron-System RAAS, gesteuert.

Ursachen

Zu einer Überproduktion der männlichen Sexualhormone durch die Nebennierenrinde kann es bei einer Vergrösserung oder einem Tumor der Nebennierenrinde, bei einem adrenogenitalen Syndrom und bei einem Morbus Cushing kommen. Ein Androgenüberschuss kann aber nicht nur durch eine vermehrte Produktion von Androgenen in der Nebennierenrinde, sondern beispielsweise auch durch eine vermehrte Produktion von Androgenen in den Hoden oder den Eierstöcken zustande kommen. Diese Erkrankungen der Hoden und der Eierstöcke werden in den entsprechenden Kapiteln besprochen.

Wird ein Adrogenüberschuss durch eine Vergrösserung einer oder beider Nebennnierenrinden erzeugt, ist ein Fehler der Erbinformation aufgetreten. Die Ursache dieses Fehlers ist bisher unklar. Die Erbinformation wird durch den Fehler soweit verändert, dass die Zellen der Nebennierenrinde, die die Sexualhormone herstellen, sich öfters teilen, als sie sollen. Durch die vermehrte Anzahl an Nebennierenrindenzellen vergrössern sich eine oder beide Nebennierenrinden und bilden eine vermehrte Menge an Sexualhormonen.

Ein Androgenüberschuss kann zudem bei gut- oder bösartigen Tumoren der Nebennierenrinde in Erscheinung treten. Diese Tumoren entstehen aus den Nebennierenrindenzellen, die die Sexualhormone herstellen. Aus einem bisher nicht bekannten Grund treten in den Nebennierenrindenzellen, die die Sexualhormone herstellen, Fehler auf. Die fehlerhaften Zellen hören nicht mehr auf die Anweisungen des Körpers, sondern teilen sich, so oft sie wollen, und stellen so viele Sexualhormone her, wie sie wollen.

Ist ein adrenogenitales Syndrom die Ursache für einen Überschuss an männlichen Sexualhormonen, besteht eine Veränderung der Erbinformation. Durch diese Veränderung der Erbinformation kann die Produktion der Glukokortikoide in der Nebennierenrinde nicht vollständig ablaufen. Deshalb sinkt die Menge an Glukokortikoiden im Blut. Der Glukokortikoidmangel im Blut wird von einem bestimmten Hirnareal und der Hirnanhangsdrüse wahrgenommen. Dieses Hirnareal und die Hirnanhangsdrüse sind für die Regulierung der Produktionsmenge in der Nebennierenrinde zuständig. Sinkt die Menge an Glukokortikoiden im Blut, bemerken dies das Hirnareal und die Hirnanhangsdrüse und befehlen der Nebennierenrinde, mehr Glukokortikoide zu produzieren.

Die Nebennierenrinde wächst sogar, um den Befehl auszuführen. Aufgrund der Veränderung der Erbinformation kann die Nebennierenrinde aber keine Glukokortikoide herstellen. Der Glukokortikoidmangel im Blut bleibt bestehen, weshalb das Hirnareal und die Hirnanhangsdrüse der Nebennierenrinde weiterhin befehlen, die Produktion zu steigern. Die Substanz, mit der das Hirnareal und die Hirnanhangsdrüse der Nebennierenrinde mitteilen, dass sie mehr produzieren soll, ist für die Produktion von Glukokortikoiden, Mineralokortikoiden und Sexualhormonen die gleiche. Befehlen also das Hirnareal und die Hirnanhangsdrüse bei einem Glukokortikoidmangel aufgrund eines adrenogenitalen Syndroms der Nebennierenrinde die Produktion zu steigern, nimmt beim adrenogenitalen Syndrom die Produktionsmenge von Sexualhormonen zu. Ein Androgenüberschuss ist die Folge.

Beim Morbus Cushing werden neben zu viel Glukokortikoiden zu viele Sexualhormone gebildet. Beim Morbus Cushing handelt es sich um eine Veränderung eines bestimmten Hirnareals oder um einen Tumor der Hirnanhangsdrüse. Dieses Hirnareal und die Hirnanhangsdrüse kontrollieren die Produktion von Glukokortikoiden, Mineralokortikoiden und Sexualhormonen in der Nebennierenrinde. Sie messen ständig die Menge an Glukokortikoiden, Mineralokortikoiden und Sexualhormonen im Blut. Sind zu wenig Glukokortikoide, Mineralokortikoide oder Sexualhormone im Blut vorhanden, bemerken dies das Hirnareal und die Hirnanhangsdrüse. Sie teilen der Nebennierenrinde mit, dass sie mehr Glukokortikoide, Mineralokortikoide und Sexualhormone bilden müsse.

Hat es zu viele Glukokortikoide, Mineralokortikoide oder Sexualhormone im Blut, bemerken auch dies das Hirnareal und die Hirnanhangsdrüse und teilen der Nebennierenrinde wiederum mit, weniger Glukokortikoide, Mineralokortikoide und Sexualhormone zu bilden. Bei einer Veränderung in dem Hirnareal oder einem Tumor der Hirnanhangsdrüse ist dieser Regelkreislauf gestört. Das Hirnareal oder die Hirnanhangsdrüse richten sich nicht mehr danach, wieviele Glukokortikoide, Mineralokortikoide und Sexualhormone es im Blut hat und wieviele der Körper braucht, sondern teilen der Nebennierenrinde laufend mit, sie müsse mehr Glukokortikoide, Mineralokortikoide und Sexualhormone herstellen. Ein Androgenüberschuss ist unter anderem die Folge.

Symptome

Abbildung 1: Beschwerden einer Frau bei einem Androgenüberschuss
Beschwerden einer Frau bei einem Androgenüberschuss, Symptome bei einem Androgenüberschuss, Überschuss an männlichen Sexualhormonen bei einer Frau

Ob ein Androgenüberschuss Folgen beim Mann hat und welche dies sind, ist bisher nicht vollständig geklärt. Ein Androgenüberschuss verursacht vor allem bei Frauen Beschwerden. Normalerweise hat es im Blut von Frauen nur eine sehr geringe Menge an männlichen Sexualhormonen. Bei einem Androgenüberschuss nimmt diese Menge deutlich zu.

Diese vermehrte Menge an männlichen Sexualhormonen im Blut zeigt sich mit einer Vermännlichung des äusseren Erscheinungsbildes der betroffenen Frau (siehe Abbildung 1). Dabei wird bei der Frau die Stimmlage tiefer und die Muskelmasse grösser. Die Körperbehaarung nimmt zu und zeigt sich in einem männlichen Verteilungsmuster mit neu aufgetretenem Haarwuchs an der Brust, der Oberlippe, dem Kinn und dem Bauch. In der Fachsprache wird von einem Hirsutismus gesprochen. Eine Stirnglatze kann hinzukommen. Auch die Geschlechtsorgane werden durch die vermehrte Menge an männlichen Geschlechtshormonen verändert. So nimmt der Kitzler, die sogenannte Klitoris, an Grösse zu und Zyklusstörungen mit Wegfall der Regelblutung sind möglich. Ist die Ursache des Androgenüberschusses ein Morbus Cushing oder ein adrenogenitales Syndrom, können weitere typische Beschwerden hinzutreten, die nicht durch den Androgenüberschuss selbst verursacht werden.

Diagnose

Treten bei einer Frau anhaltende Beschwerden im Sinne eines Überschusses der männlichen Sexualhormone auf, sollte ein Arzt zur weiteren Abklärung und bei Bedarf Behandlung aufgesucht werden. Der Arzt wird die Betroffene in einem ausführlichen Gespräch nach Beschwerden und Veränderungen fragen, die ihm einen Hinweis auf einen Androgenüberschuss und dessen Ursache geben. Weiter wird er sich nach durchgemachten oder noch anhaltenden Erkrankungen erkundigen, die einen Androgenüberschuss zur Folge haben können. Anschliessend wird der Arzt die Betroffene von Kopf bis Fuss untersuchen.

Der Verdacht auf einen Überschuss an männlichen Sexualhormonen kann mit einer Blutentnahme bestätigt werden. Im Blut ist die Menge an männlichen Sexualhormonen und dessen Vorstufen erhöht.

Wird der Androgenüberschuss durch eine Vergrösserung oder einen Tumor der Nebennierenrinde erzeugt, können diese Veränderungen mit einer Computertomographie CT, einer Magnetresonanztomographie MRI oder einer Szintigraphie aufgezeigt werden. Eine Szintigraphie ist eine Untersuchung, bei der radioaktiv markierte Stoffe in den Körper eingebracht werden. Diese radioaktiv markierten Stoffe reichern sich im zu untersuchenden Organ an und können anschliessend mit einer speziellen Kamera sichtbar gemacht werden. Bei einer Szintigraphie der Nebennierenrinde wird dem Betroffenen leicht radioaktives Cholesterin in eine Vene gespritzt. Zur Produktion der Sexualhormone ist Cholesterin notwendig. So wird das leicht radioaktive Cholesterin in die Zellen der Nebennierenrinde aufgenommen. Mit einem speziellen Röntgenverfahren können dann auf einem Bild alle die Bereiche dargestellt werden, die das Cholesterin aufgenommen haben. Dazu gehören ein Tumor oder eine Vergrösserung der Nebennierenrinde.

Ein adrenogenitales Syndrom wird durch eine Routineuntersuchung beim Neugeborenen festgestellt. Bei jedem Neugeborenen muss drei bis vier Tage nach der Geburt routinemässig eine spezielle Blutuntersuchung durchgeführt werden. Diese Untersuchung wird Guthrie-Test genannt. Mit dem Guthrie-Test können bestimmte Erkrankungen bei Neugeborenen ausgeschlossen werden, die unbedingt behandelt werden müssen, da sie ohne Behandlung innert kurzer Zeit zu schweren körperlichen und geistigen Schädigungen oder gar zum Tod des Kindes führen können. Eine dieser Erkrankungen ist das adrenogenitale Syndrom.

Ein Morbus Cushing wird meist bereits nach der Befragung vermutet, da Betroffene nicht allein an den Beschwerden durch einen Sexualhormonüberschuss leiden, sondern vor allem an den Beschwerden eines Glukokortikoidüberschusses. Messungen der Menge an Glukokortikoiden im Urin und im Blut verstärken diesen Verdacht. Mit einer Magnetresonanztomographie MRI der Region, in der sich die Hirnanhangsdrüse und das Hirnareal befinden, können ein Tumor der Hirnanhangsdrüse oder eine Veränderung in dem bestimmten Hirnareal dargestellt werden.

Erfolgt die vermehrte Sexualhormonproduktion nicht durch die Nebennierenrinde, müssen weitere Untersuchungen beigezogen werden, um die Ursache des Androgenüberschusses finden und die Erkrankung behandeln zu können.

Therapie

Die Behandlung eines Androgenüberschusses hängt von seiner Ursache ab. Wird der Androgenüberschuss durch einen Tumor der Nebennierenrinde hervorgerufen, muss der Tumor mit einer Operation entfernt werden. Musste eine Nebenniere wegen eines Tumors der Nebennierenrinde entfernt werden, gelingt es teilweise der anderen Nebenniere erst nach einer gewissen Zeit alle Hormone, die der Körper benötigt, in ausreichender Menge zu produzieren. Für diese Zeit muss der Betroffene Kortison und Aldosteron in Tablettenform einnehmen, da diese zwei Botenstoffe lebenswichtig sind. Sexualhormone muss der Betroffene nach der Entfernung einer Nebenniere nicht einnehmen, da die Produktion der Sexualhormone von den Hoden beim Mann und von den Eierstöcken bei der Frau übernommen wird.

Wird der Androgenüberschuss durch eine beidseitige Vergrösserung der Nebennierenrinden erzeugt, sollte nicht operiert werden. In einer Operation müssten beide Nebennieren entfernt werden, wodurch zu viel gesundes Gewebe geschädigt werden würde. Diese Form des Androgenüberschusses sollte mit bestimmten Medikamenten behandelt werden, die der Wirkung der Androgene entgegenwirken. Ist die Wirkung dieser Medikamente nicht ausreichend, können den Betroffenen teilweise zusätzlich weibliche Sexualhormone verabreicht werden. Die Behandlung eines Morbus Cushing und eines adrenogenitalen Syndroms wird in den entsprechenden Kapiteln besprochen.

Autor/in:Dr. med. Sidonie Achermann, Ärztin
Editor/in:Dr. Julia Feucht, Ärztin
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ICD-10:E27.0, L68.0
Zuletzt geändert:06.11.2016Zum Seitenanfang
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