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ACTH-Mangel

Synonyme: Mangel an adrenokortikotropem Hormon, sekundärer Hypokortisolismus, sekundärer Hypokortizismus, sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz, sekundäre Nebennierenrindenunterfunktion

Zusammenfassung

Beim ACTH-Mangel hat es im Blut eine zu geringe Menge an adrenokortikotropem Hormon (ACTH). Ein Glukokortikoidmangel ist die Folge. Ein ACTH-Mangel kann durch eine Veränderung des Hypophysenvorderlappens, eine Veränderung des Hypothalamus, einen Unterbruch des Hypophysenstiels oder durch Medikamente verursacht werden.

Betroffene eines ACTH-Mangels leiden hauptsächlich an den Beschwerden eines Glukokortikoidmangels. Die Diagnose eines ACTH-Mangels wird mit Gespräch, körperlicher Untersuchung, Blut- sowie Urinuntersuchungen, einem ACTH-Stimulationstest, einer Magnetresonanztomographie MRI und/oder einer Computertomographie CT gestellt. Die Behandlung des ACTH-Mangels hängt von seiner Ursache ab. Die fehlenden Glukokortikoide müssen dabei lebenslang in Form von Tabletten ersetzt werden.

Allgemeines

Beim ACTH-Mangel hat es im Blut eine zu geringe Menge an adrenokortikotropem Hormon (ACTH). Das ACTH ist ein lebenswichtiges Hormon, das im Hypophysenvorderlappen, also dem Vorderlappen der Hirnanhangsdrüse, gebildet wird und dessen Produktionsmenge durch den Hypothalamus, ein bestimmtes Hirnareal, mit Hilfe des Botenstoffes CRH geregelt wird. Hormone sind Botenstoffe, die die Anweisungen des Körpers seinen einzelnen Organen mitteilen und Meldungen von den Organen an den Körper zurückgeben. Mit dem adrenokortikotropen Hormon, dem sogenannten ACTH, reguliert der Hypophysenvorderlappen die Produktion von Glukokortikoiden, Mineralokortikoiden und Sexualhormonen in der Nebennierenrinde.

Besteht ein ACTH-Mangel, hat es zu wenig ACTH im Körper, um der Nebennierenrinde mitzuteilen, dass sie weiterhin diese Hormone produzieren soll. So stellt die Nebennierenrinde die Produktion ein und die Menge an Glukokortikoiden im Blut nimmt ab. Ein Glukokortikoidmangel ist die Folge. Die Menge an Sexualhormonen und an Mineralokortikoiden im Blut bleibt normal, da die Sexualhormonproduktion der Nebennierenrinde beim Mann von den Hoden und bei der Frau von den Eierstöcken übernommen wird und da die Produktion der Mineralokortikoide dank einem speziellen Regelkreislauf, dem sogenannten Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, in der Nebennierenrinde trotz des Mangels an ACTH aufrecht erhalten wird.

Da bei einem ACTH-Mangel ein Mangel an Glukokortikoiden die Folge ist, wird beim ACTH-Mangel auch von einem Glukokortikoidmangel oder einer Nebnnierenrindenunterfunktion gesprochen. Ein sekundärer Glukokortikoidmangel (sekundäre Nebennierenrindenunterfunktion) wird durch eine Veränderung des Hypophysenvorderlappens, ein tertiärer Glukokortikoidmangel (tertiäre Nebennierenrindenunterfunktion) durch eine Veränderung des Hypothalamus verursacht.

Die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse)

Abbildung: Hirnanhangsdrüse
Hirnanhangdrüse, Hypophyse, Grosshirn, Kleinhirn, Sella turcica, Schädelknochen

Die Hirnanhangsdrüse ist ein kleines lebenswichtiges Organ, das im sogenannten Türkensattel etwa im Zentrum des Schädels unterhalb des Gehirns und damit etwa auf Höhe der Nasenwurzel sitzt (siehe Abbildung). Die Hirnanhangsdrüse besteht aus dem Hypophysenvorderlappen und dem Hypophysenhinterlappen. Der Hypophysenvorderlappen und der Hypophysenhinterlappen sind in ihrer Funktion voneinander unabhängig.

Der Hypophysenvorderlappen stellt sechs verschiedene Hormone her, mit denen er auf verschiedene Vorgänge im Körper einwirkt. Mit dem Wachstumshormon (GH) beeinflusst der Hypophysenvorderlappen eine Reihe von Stoffwechselprozessen und regt den Körper mit seinen Organen zum Wachstum an. Mit den zwei unterschiedlichen Gonadotropinen (LH und FSH) nimmt der Hypophysenvorderlappen Einfluss auf das Wachstum und die Sexualhormonproduktion der Hoden beim Mann und der Eierstöcke bei der Frau. Mit dem adrenocorticotropen Hormon (ACTH) reguliert der Hypophysenvorderlappen die Hormonproduktion in der Nebennierenrinde und ermöglicht es dadurch dem Körper, optimal auf Stresssituationen zu reagieren. Mit dem thyreoideastimulierenden Hormon (TSH) regt der Hypophysenvorderlappen in der Schilddrüse das Wachstum, die Jodaufnahme und die Schilddrüsenhormonproduktion an. Und mit dem Prolaktin ermöglicht der Hypophysenvorderlappen in der Brust die Produktion von Muttermilch.

Der Hypophysenhinterlappen selbst kann keine Hormone herstellen. Es speichert die vom Hypothalamus, einem bestimmten Hirnareal, gebildeten Hormone Vasopressin und Oxytozin und schüttet sie bei Bedarf ins Blut aus. Vasopressin (ADH) reguliert den Wasserhaushalt im Körper und befiehlt dabei den Nieren, nicht zu viel Flüssigkeit mit dem Urin aus dem Körper auszuscheiden. Oxytozin erlaubt es der Brust, die gebildete Muttermilch nach aussen abzugeben.

Die Produktion und die Ausschüttung von Wachstumshormon, Gonadotropinen, adrenocorticotropem Hormon, thyreoideastimulierendem Hormon und Prolaktin im Hypophysenvorderlappen werden hauptsächlich durch den Hypothalamus, ein bestimmtes Hirnareal, gesteuert. Dazu stellt der Hypothalamus gewisse Substanzen her. Ebenso werden die Speicherung und die Ausschüttung von Vasopressin und Oxytozin im Hypophysenhinterlappen durch den Hypothalamus geregelt.

Ursachen

Ein ACTH-Mangel kann durch eine Veränderung des Hypophysenvorderlappens, eine Veränderung des Hypothalamus, einen Unterbruch des Hypophysenstiels oder durch Medikamente verursacht werden.
Die häufigste Ursache eines ACTH-Mangels ist eine anhaltende Therapie mit grossen Mengen von Glukokortikoiden, sogenannten Steroiden. Eine Steroidbehandlung findet oft Anwendung bei entzündlichen Erkrankungen der Haut, der Lunge oder der Gelenke, da die Glukokortikoide die Entzündungsreaktion im Körper hemmen.

Der Hypothalamus und der Hypophysenvorderlappen nehmen die grossen Mengen an Glukokortikoiden im Blut wahr und sind der Meinung, es habe ausreichend oder gar zu viele Glukokortikoide im Blut. Deshalb stellt der Hypothalamus weniger CRH her, mit dem er die ACTH-Produktion im Hypophysenvorderlappen regelt. Wenn weniger CRH vom Hypothalamus zum Hypophysenvorderlappen gelangt, stellt der Hypophysenvorderlappen in der Folge weniger ACTH her. Im Blut nimmt die Menge an ACTH ab und ein ACTH-Mangel entsteht. Durch den ACTH-Mangel wird die Nebennierenrinde nicht mehr zur Produktion aufgefordert, sodass die Nebennierenrinde die Produktion von Glukokortikoiden einstellt. Solange die Steroidbehandlung weitergeführt wird, hat es aber dank der Steroidzufuhr von aussen trotz fehlender körpereigener Produktion weiterhin genügend Glukokortikoide im Blut. Wird die Menge an Glukokortikoiden der Steroidbehandlung schrittweise verringert, bemerken dies wiederum der Hypothalamus beziehungsweise der Hypophysenvorderlappen und stellen wieder CRH beziehungsweise ACTH her.

Durch den Anstieg der Menge an ACTH im Blut teilen der Hypothalamus und der Hypophysenvorderlappen somit der Nebennierenrinde mit, sie solle wieder beginnen Glukokortikoide herzustellen. Die Nebennierenrinde braucht aber eine gewisse Zeit, bis sie die Produktion wieder in Gang gebracht hat und ausreichend Glukokortikoide herstellen kann, um den Bedarf des Körpers zu decken. Wird eine Behandlung mit grossen Mengen von Glukokortikoiden abrupt abgebrochen, gibt es deshalb vorübergehend zu wenig Glukokortikoide im Blut, bis die Nebennierenrinden in der Lage sind, ausreichend Glukokortikoide zu produzieren. Betroffene leiden deshalb an den Beschwerden eines Glukokortikoidmangels.

Zu den Ursachen eines ACTH-Mangels durch eine Veränderung im Hypophysenvorderlappen zählen gutartige Tumoren der Hirnanhangsdrüse selbst oder des Gehirns, Entzündungen, Blutungen, Infarkte, Verletzungen, Operationen, Bestrahlungen und Ableger bösartiger Tumoren anderer Organe in der Hirnanhangsdrüse. Alle diese Veränderungen schädigen das Gewebe des Hypophysenvorderlappens so, dass es seine Aufgaben nicht mehr erfüllen und deshalb nicht mehr genügend ACTH herstellen kann. Ein ACTH-Mangel ist die Folge. Bei einem Tumor ist in einzelnen Zellen ein Fehler aufgetreten. Durch diesen Fehler hören diese Zellen nicht mehr auf die Anweisungen des Körpers und teilen sich, sooft sie wollen. Dadurch werden Tumoren immer grösser und zerdrücken das umliegende Gewebe, sodass dieses seine Aufgaben nicht mehr erledigen kann. Bei einem Infarkt, einem sogenannten Schlaganfall, im Bereich der Hirnanhangsdrüse wird das Gewebe des Hypophysenvorderlappens dadurch geschädigt, dass es keine Nährstoffe und Sauerstoff mehr erhält, weil die Blutgefässe verschlossen sind, welche die Hirnanhangsdrüse mit Blut und den darin enthaltenen Nährstoffen und Sauerstoff versorgen.

Selten kann eine Blutung in der Hirnanhangsdrüse nach der Geburt eines Kindes zu einer Zerstörung des Gewebes der Hirnanhangsdrüse der Mutter führen. Dabei wird in der Fachsprache von einem sogenannten Sheehan-Syndrom gesprochen. Ebenfalls selten ist eine Autoimmunerkrankung der Hirnanhangsdrüse. Bei der Autoimmunerkrankung begeht das Abwehrsystem des Körpers, das sogenannte Immunsystem, einen Fehler und erkennt aus bisher unbekanntem Grund das Gewebe der eigenen Hirnanhangsdrüse als Eindringling, der dem Körper schaden möchte. Zur Selbstverteidigung produziert das Abwehrsystem des Körpers Abwehrstoffe gegen das Gewebe der eigenen Hirnanhangsdrüse.

Diese Abwehrstoffe greifen die Zellen der Hirnanhangsdrüse an und zerstören das Gewebe der Hirnanhangsdrüse mit der Zeit. In der Fachsprache heissen die Abwehrstoffe, die durch das Abwehrsystem des Körpers gebildet werden, Antikörper. Diese Antikörper werden auch Autoantikörper genannt, da sie fälschlicherweise gegen Gewebe des eigenen Körpers gerichtet sind.
Zu den Ursachen eines ACTH-Mangels durch eine Veränderung im Hypothalamus zählen gutartige Tumoren, Schlaganfälle, Operationen oder Bestrahlungen im Bereich des Hypothalamus. Diese Veränderungen können das Gewebe des Hypothalamus so stark schädigen, dass es kein CRH mehr herstellen und dadurch die ACTH-Produktion des Hypophysenvorderlappens nicht mehr regulieren kann, sodass die ACTH-Produktion im Hypophysenvorderlappen abnimmt und ein ACTH-Mangel auftritt.

Auf ähnliche Art und Weise wie bei der Veränderung des Hypothalamus entsteht ein ACTH-Mangel, wenn der Hypothalamus selbst intakt ist, der Hypophysenstiel aber beispielsweise durch einen Unfall durchtrennt wurde. Der Hypophysenstiel stellt die Verbindung zwischen dem Hypothalamus und der Hirnanhangsdrüse dar. Ist der Hypophysenstiel unterbrochen, stellt der Hypothalamus zwar genug CRH her, um den Hypophysenvorderlappen zu einer ausreichenden ACTH-Produktion anzutreiben, dieses CRH gelangt aber gar nicht zur Hirnanhangsdrüse. Die Hirnanhangsdrüse stellt deshalb die ACTH-Produktion ein und ein ACTH-Mangel tritt auf.

Symptome

Bei einem ACTH-Mangel hat es im Blut eine zu geringe Menge an adrenokortikotropem Hormon. Mit dem adrenokortikotropen Hormon, dem sogenannten ACTH, reguliert der Hypophysenvorderlappen die Produktion von Glukokortikoiden, Mineralokortikoiden und Sexualhormonen in der Nebennierenrinde. Besteht ein ACTH-Mangel im Körper, hat es zu wenig ACTH im Körper, um der Nebennierenrinde mitzuteilen, dass sie weiterhin Hormone produzieren soll. Deshalb stellt die Nebennierenrinde die Produktion ein und die Menge an Glukokortikoiden im Blut nimmt ab. Die Menge an Sexualhormonen und an Mineralokortikoiden im Blut bleibt konstant, da die Sexualhormonproduktion der Nebennierenrinde beim Mann von den Hoden und bei der Frau von den Eierstöcken übernommen wird. Die Produktion der Mineralokortikoide wird dank einem speziellen Regelkreislauf, dem Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, in der Nebennierenrinde trotz dem Mangel an ACTH aufrecht erhalten. Aus diesem Grund leiden Betroffene eines ACTH-Mangels hauptsächlich an den Beschwerden eines Glukokortikoidmangels.

Abbildung 1: Beschwerden bei einem Glukokortikoidmangel
Glukokortikoidmangel, ACHT-Mangel, Beschwerden bei einem Glukokortikoidmangel

Ein Glukokortikoidmangel kann zu einer breiten Palette an Beschwerden führen (siehe Abbildung 1), da die Glukokortikoide zahlreiche Aufgaben im menschlichen Körper haben. Sie wirken auf den Zucker-, Eiweiss- und Fettstoffwechsel, den Wasser- und Salzhaushalt, das Bindegewebe und den Knochen, die Entzündungsmechanismen und das Abwehrsystem, die Haut und das Knochenmark, das Herzkreislauf- und das Nervensystem. Ein Mangel an Glukokortikoiden zeigt sich durch  Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust und Unterzuckerung. Übelkeit, Erbrechen und Durchfall können hinzukommen und den Gewichtsverlust verstärken. Betroffene leiden zudem an starker Müdigkeit und Schwäche mit einem Leistungsabfall. Das Auftreten psychischer Veränderungen wie eine Depression wird beschrieben. Durch die fehlende Wirkung der Glukokortikoide im Herzkreislaufsystem schlägt das Herz langsamer und der Blutdruck ist tief, sodass Schwindel beim Aufstehen, Ohnmachtsanfälle und Verwirrheit bei einem Glukokortikoidmangel möglich sind.

Insbesondere in Stresssituationen, in denen der Körper noch mehr von den Stresshormonen ACTH und Glukokortikoiden bräuchte, um optimal reagieren zu können, oder bei einer plötzlichen Abnahme an Glukokortikoiden im Blut durch das plötzliche Stoppen einer Steroidbehandlung kann bei Betroffenen ein lebensgefährlicher Zustand, eine sogenannte Addison-Krise, auftreten. Betroffene einer Addison-Krise leiden an Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma.

Je nach Ursache des ACTH-Mangels sind weitere Beschwerden möglich. Tumoren im Bereich des Hypophysenvorderlappens können beispielsweise auf Strukturen in ihrer Umgebung wie die Sehnerven drücken und so zu einer Einschränkung des Sehens führen. Kopfschmerzen sind möglich bei Tumoren im Schädel. Zudem stellen die Hirnanhangsdrüse und der Hypothalamus nicht nur CRH und ACTH her, mit welchen sie die Produktionsmenge der Nebennierenrinde regeln, sondern noch weitere Hormone, mit denen sie beispielsweise die Funktion der Schilddrüse, der Hoden beim Mann und der Eierstöcke bei der Frau regulieren.

Durch die Veränderung in der Hirnanhangsdrüse oder dem Hypothalamus kann die Produktionsmenge dieser Hormone, die im Hypothalamus oder im Hypophysenvorderlappen hergestellt werden, ebenfalls beeinflusst werden, sodass zusätzliche Beschwerden durch die vermehrte oder verminderte Produktion dieser Hormone zu den Beschwerden des ACTH-Mangels und des Glukokortikoidmangels hinzutreten. Diese Beschwerden durch die Über- oder Unterproduktion anderer Hormone der Hirnanhangsdrüse und des Hypothalamus werden in den entsprechenden Kapiteln der Hirnanhangsdrüse und des Hypothalamus besprochen.

Diagnose

Treten bei einer Person anhaltende Beschwerden im Sinne eines Mangels an Glukokortikoiden wegen einem ACTH-Mangel auf, sollte ein Arzt zur weiteren Abklärung und bei Bedarf zur Behandlung aufgesucht werden. Der Arzt wird den Betroffenen in einem ausführlichen Gespräch nach Beschwerden und Veränderungen fragen, die ihm einen Hinweis auf einen ACTH-Mangel geben. Weiter wird er sich nach durchgemachten oder noch anhaltenden Erkrankungen und Therapien erkundigen, die einen ACTH-Mangel zur Folge haben können. Anschliessend wird der Arzt den Betroffenen von Kopf bis Fuss untersuchen.

Hat der Arzt aufgrund der Ergebnisse des Gesprächs und der Untersuchung den Verdacht auf einen ACTH-Mangel, wird er zur Erhärtung des Verdachts die Menge an CRH, ACTH und Glukokortikoiden im Körper messen. Die Menge an Glukokortikoiden misst der Arzt zusätzlich, da die Menge an CRH und ACTH im Körper schwanken kann und eine Messung von CRH und ACTH allein nicht ausreichend ist. Bei jedem ACTH-Mangel stellt die Nebenniere aber die Produktion von Glukokortikoiden ein, sodass bei einem ACTH-Mangel ein messbarer Glukokortikoidmangel die Folge ist.

Eine einzelne Messung der Glukokortikoide reicht für die Bestimmung eines Glukokortikoidmangels aber nicht aus, da die Glukokortikoidmenge im Blut normalerweise ebenfalls im Tagesverlauf schwankt und am Morgen höher ist als am Abend. Stresssituationen, Medikamente zur Schwangerschaftsverhütung, Schwangerschaften und ein sehr hohes Übergewicht beeinflussen zudem die Glukokortikoidproduktion im Körper. Es müssen deshalb mehrere Messungen der Glukokortikoide vorgenommen werden, um die Diagnose eines Glukokortikoidmangels wegen eines ACTH-Mangels stellen zu können.

In einer Blutentnahme, die am Morgen durchgeführt werden soll, da es normalerweise am Morgen am meisten Glukokortikoide im Blut hat, wird bei einem ACTH-Mangel eine veränderte Menge an CRH, ACTH und Glukokortikoiden gemessen. Bei einem ACTH-Mangel wegen einer Veränderung im Hypophysenvorderlappen wird die Menge an CRH im Blut gross und die Menge von ACTH und Glukokortikoiden gering sein. Die Menge an CRH ist deshalb gross, da der Hypothalamus die geringe Menge von ACTH und von Glukokortikoiden im Blut bemerkt und aus diesem Grund die Produktion von CRH erhöht.

Bei einem ACTH-Mangel wegen einer Veränderung im Hypothalamus wird die Menge an CRH, ACTH und Glukokortikoiden im Blut gering sein, weil der Hypothalamus weniger CRH produziert und damit die Produktion von ACTH in der Hirnanhangsdrüse und von Glukokortikoiden in der Nebennierenrinde abnimmt. Um diese Messungen im Blut zu bestätigen, kann nach genauer Anweisung durch den Arzt der Urin des Betroffenen während 24 Stunden gesammelt werden. In diesem sogenannten 24-Stunden-Urin wird die Menge an Glukokortikoiden bestimmt. Eine verminderte Menge an Glukokortikoiden weist auf einen Glukokortikoidmangel hin und bestätigt die Messung im Blut.

Mit einem ACTH-Stimulationstest, der auch Kortisolstimulationstest genannt wird, kann dann zudem gezeigt werden, dass der Glukokortikoidmangel wirklich durch einen ACTH-Mangel zustande kommt und nicht durch eine Veränderung der Nebennierenrinden, durch welche die Produktion von Glukokortikoiden dort nicht mehr möglich wäre. Beim ACTH-Stimulationstest wird bei dem Betroffenen die Menge an Glukokortikoiden im Blut bestimmt. Danach wird dem Betroffenen ACTH in eine Vene gespritzt und die Messung der Glukokortikoide im Blut nach etwa einer Stunde wiederholt. Die Glukokortikoidmenge im Blut wird in der zweiten Blutmessung deutlich zugenommen haben, wenn der Betroffene an einem ACTH-Mangel wegen einer Veränderung im Hypophysenvorderlappen oder im Hypothalamus leidet und die Nebennierenrinde selbst gesund ist. Denn die Nebennierenrinde produziert wieder Glukokortikoide in normaler Menge, sobald sie den Produktionsbefehl in Form von ACTH erhält. Steigt die Menge an Glukokortikoiden im Blut nach der Gabe von ACTH nicht an, bedeutet dies, dass der Betroffene nicht an einem Glukokortikoidmangel wegen eines ACTH-Mangels leidet, sondern an einem sogenannten primären Glukokortikoidmangel, bei dem die Nebennierenrinde so verändert ist, dass sie keine Glukokortikoide mehr produzieren kann, egal wie oft sie den Befehl dazu in Form von ACTH erhält. Die Hirnanhangsdrüse und der Hypothalamus sind bei einem primären Glukokortikoidmangel vollkommen normal.

Mit Hilfe von bildgebenden Untersuchungen wie der Computertomographie CT oder der Magnetresonanztomographie MRI können Veränderungen im Bereich der Hirnanhangsdrüse oder des Hypothalamus dargestellt werden. Und mit Hilfe einer Messung der anderen Hormone im Blut, die neben dem CRH und dem ACTH im Hypothalamus und im Hypophysenvorderlappen hergestellt werden, kann bestimmt werden, ob die Betroffenen nur an einem ACTH-Mangel leiden oder ob der ACTH-Mangel noch von einem Mangel oder einem Überschuss anderer Hormone begleitet wird.

Therapie

Die Behandlung eines ACTH-Mangels hängt von seiner Ursache ab. Es sollte immer die Ursache behandelt werden, wenn dies möglich ist. Infektionen, Tumoren oder Ableger bösartiger Tumoren anderer Organe, die das Gewebe des Hypophysenvorderlappens oder des Hypothalamus verändern und dadurch einen ACTH-Mangel verursachen, müssen bekämpft werden. Ansonsten breiten sich diese Erkrankungen weiter im Körper aus und verursachen noch mehr Schäden. So sollten Infektionen je nach Krankheitserreger mit Medikamenten behandelt und Tumoren operativ entfernt, chemotherapiert oder bestrahlt werden.

Aber auch wenn die den ACTH-Mangel verursachende Erkrankung erfolgreich behandelt wurde, bleibt der ACTH-Mangel mit dem Mangel an Glukokortikoiden meist bestehen. In diesen Fällen sollten die Beschwerden aufgrund des Mangels an Glukokortikoiden beim ACTH-Mangel mit dem Ersatz von Glukokortikoiden behandelt werden.

Bei einem ACTH-Mangel wegen einer Veränderung im Hypophysenvorderlappen oder im Hypothalamus müssen Betroffene lebenslang Glukokortikoide in Tablettenform einnehmen. Bei Stresssituationen wie schweren Erkrankungen, Operationen, Unfällen, körperlicher Schwerstarbeit und Reisen muss die Glukokortikoidmenge erhöht werden, damit der Körper nicht zu wenig Glukokortikoide hat und eine lebensbedrohliche Addison-Krise auftritt.

Damit eine solche Behandlung eines ACTH-Mangels mit Glukokortikoiden aber erfolgreich sein kann, müssen die Betroffenen vor Beginn einer Behandlung genau über ihre Erkrankung und die Bedeutung der Behandlung informiert werden. Auf diese Weise lernen die Betroffenen, warum sie die Behandlung befolgen und nicht einfach reduzieren oder beenden sollen, auch wenn sie dank der Behandlung keine Beschwerden mehr haben. Ansonsten besteht das Risiko einer lebensbedrohlichen Addison-Krise. Zudem sollte jeder Betroffene immer einen Notfallausweis bei sich tragen, in dem steht, an was er leidet und mit was er behandelt wird. So kann auch in einer lebensbedrohlichen Addison-Krise, in der der Betroffene das Bewusstsein verloren hat und keine Aussage mehr machen kann, sofort mit der richtigen Behandlung begonnen werden.

Sind weitere Regelkreisläufe wie diejenigen der Schilddrüse, der Hoden beim Mann oder der Eierstöcke bei der Frau durch die Veränderung in der Hirnanhangsdrüse oder im Hypothalamus gestört, müssen die Betroffenen zudem lebenslang Schilddrüsenhormone und Sexualhormone einnehmen.

Prognose

Die Prognose eines Betroffenen mit einem ACTH-Mangel hängt von der Ursache der Erkrankung ab. Kann die Ursache des ACTH-Mangels aber gut behandelt werden und werden die Glukokortikoide regelmässig eingenommen, ist die Prognose sehr gut. Es sind keine Einschränkungen der Lebensqualität und der Lebenserwartung zu erwarten. So ist bei guter Zusammenarbeit zwischen Arzt und betroffenen Frauen auch eine Schwangerschaft durchaus möglich.

Autor/in:Dr. Sidonie Achermann, Ärztin
Editor/in:Dr. Julia Feucht, Ärztin
Keywords:ACTH-Mangel, Mangel an adrenokortikotropem Hormon, sekundärer Hypokortisolismus, tertiärer Hypokortisolismus, sekundärer Hypokortizismus, tertiärer Hypokortizismus, sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz, tertiäre Nebennierenrindeninsuffizienz, sekundäre Nebennierenrindenunterfunktion, tertiäre Nebennierenrindenunterfunktion, sekundäre Nebennieren-Insuffizienz, tertiäre Nebennieren-Insuffizienz, ACTH, adrenokortikotropes Hormon, adrenocorticotropes Hormon, Hirnanhangsdrüse, Hypothalamus, Nebennierenrinden, ACTH-Mangel, Autoimmunerkrankung, Addison-Krise, Addison Krise, Glukokortikoidbehandlung, Steroidbehandlung, Sheehan-Syndrom, Kortisolstimulationstest, ACTH-Stimulationstest, Notfallausweis, Hormonersatztherapie, Hormonersatzbehandlung, Glukokortikoidersatz, Steroidersatz
ICD-10:E23.0, E23.1
Zuletzt geändert:06.11.2016Zum Seitenanfang
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