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Hämolytische Anämie

Synonyme: Morbus Muster

Allgemeines

Eine Anämie, ungeachtet ihrer Ursache, bedeutet, dass entweder zu wenige rote Blutkörperchen oder zu wenig Hämoglobin, das heisst roter Blutfarbstoff und Sauerstoffträger in den roten Blutkörperchen, vorhanden sind. Die Anämie wird in der Umgangssprache auch Blutarmut genannt.

Bei der hämolytischen Anämie werden aus verschiedensten Gründen die roten Blutkörperchen, auch Erythrozyten genannt, sehr schnell abgebaut, so dass sich ihre Lebenszeit massiv verkürzt.

In der Milz werden normalerweise in einer Art Filtersystem alte, formveränderte und starre Erythrozyten abgefangen und abgebaut. Besteht ein gesteigerter Abbau von roten Blutkörperchen in der Milz, der in der Fachsprache als Hämolyse bezeichnet wird, kann es zu einer Milzvergrösserung kommen, einer so genannte Splenomegalie.

Die so genannte Sphärozytose, eine Erbkrankheit, bei der kugelförmige, anstatt der normalerweise scheibenförmige Erythrozyten hergestellt werden, entsteht ebenfalls eine hämolytische Anämie. Der erhöhte Abbau dieser kugelförmigen roten Blutkörperchen wird durch ihre unnatürliche Form verursacht, aufgrund derer sie anfälliger sind, in der Milz abgefangen und abgebaut zu werden.

Eine weitere häufige, ebenfalls erbliche Ursache einer Hämolyse ist der Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel, auch Favismus genannt. Hier fehlt ein Schutzfaktor der Erythrozyten vor bestimmten schädigenden Substanzen, die vermehrt bei Infektionen oder nach der Einnahme bestimmter Medikamente auftauchen.

Zu den Erbkrankheiten, die mit einer hämolytischen Anämie einhergehen, gehören ausserdem die Sichelzellanämie und die Thalassämie, bei denen ein Fehler im Hämoglobin für den Abbau der Erythrozyten verantwortlich ist.

Neben erblichen gibt es auch erworbene Erkrankungen, bei welchen zwar normale Erythrozyten gebildet werden, diese aber durch eine neu auftretende Veränderung im Körper vermehrt abgebaut werden. In den meisten Fällen wird dieser Abbau durch körpereigene Abwehrstoffe vermittelt. Diese so genannten Antikörper greifen normalerweise fremde Substanzen, Krankheitserreger oder auch Tumorzellen an, damit diese entfernt werden können. Aus oft unbekannten Gründen können sie sich jedoch auch gegen gesunde Körperzellen wie beispielsweise gegen Erythrozyten richten, so dass es zu deren Abbau in der Milz oder in den Gefässen kommt. Eine Blutarmut, die auf diese Weise entsteht, wird autoimmunhämolytische Anämie genannt.

Die hämolytische Transfusionsreaktion

Vor einer Bluttransfusion, das heisst, wenn das Verabreichen von Spenderblut in Form von Blutkonserven notwendig wird, muss immer die Verträglichkeit der Blutgruppen von Spender- und Empfängerblut kontrolliert werden. Geschieht dabei ein Fehler oder eine Verwechslung, kann dies zu einer lebensbedrohlichen Zerstörung von roten Blutkörperchen kommen.

Die häufigste Komplikation ist dabei die Zerstörung von roten Blutkörperchen (Erythrozyten) des Spenderblutes, welche durch Abwehrstoffe im Empfängerblut verursacht wird. Diese Abwehrstoffe, auch Antikörper genannt, werden im Körper zur Abwehr gegen fremde Substanzen und Krankheitserreger gebildet. Im Blut jeder Person sind solche Abwehrstoffe gegen Erythrozyten vorhanden, welche die Blutgruppe bestimmen und sich nicht gegen die eigenen Erythrozyten richten.

Kommt es jedoch zu einer Reaktion gegen fremde Erythrozyten und somit zu deren Zerstörung, zeigt sich dies beim Betroffenen vor allem in Form von Unwohlsein, Fieber mit Schüttelfrost sowie Schmerzen und Atembeschwerden.

In schweren Fällen kann es zu einem Schockzustand mit kühler, blasser Haut, einem schnellen und schwachen Puls sowie zu einer Atemnot kommen.

Symptome

Eine hämolytische Anämie kann durch eine chronische, also ständig bestehende Blutarmut Beschwerden wie leichte Ermüdbarkeit, Schwäche sowie eine Atemnot bei Anstrengung verursachen. In schweren Fällen können Beschwerden bis hin zu Schwindel und Konzentrationsstörungen entstehen. Vor allem bei erblichen, also angeborenen Störungen entsteht die Blutarmut langsam, so dass sich der Körper an diese Umstände anpassen kann, weshalb die Symptome zum Beispiel bei der Sphärozytose erst im Erwachsenenalter auftreten.

Produkte aus dem Abbau des Hämoglobins fallen im Blut an und werden unter anderem in der Haut abgelagert. Deshalb haben betroffene Patienten oft eine leicht gelblich verfärbte Haut, was als Gelbsucht bezeichnet wird.

Die normalerweise stattfindende Verarbeitung dieser Abbauprodukte in der Leber und die nachfolgende Ausscheidung mit der Gallenflüssigkeit sind gesteigert, so dass diese Stoffe in ihrer hohen Konzentration manchmal Gallensteine bilden. Diese können kolikartige, also heftige Schmerzen in Schüben im rechten Oberbauch auslösen.

Bei einer sehr raschen, plötzlich auftretenden Hämolyse, einer so genannten hämolytischen Krise, tritt Hämoglobin unverarbeitet im Blut auf und wird über die Nieren in den Urin ausgeschieden, welcher dadurch eine bräunliche Farbe annimmt. Eine solche Krise macht sich aber vor allem durch Fieber, Schüttelfrost und Schmerzen bemerkbar. Bei jeder Erkrankung, die zu einer hämolytischen Anämie führt, kann eine solche Krise auftreten.

Beim Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel besteht zwischen den Krisen hingegen selten ein Abbau der roten Blutkörperchen, welcher zu einer Blutarmut führt. Deshalb ist diese Erkrankung fast ausschliesslich durch solche Krisen geprägt.

Diagnose

Besteht der Verdacht auf eine Anämie aufgrund der durch den Patienten geschilderten Symptome, wird immer aus einer Vene eine Blutprobe entnommen und im Labor untersucht. Zunächst werden die Blutzellen gezählt und auf Form und Farbe hin beurteilt. Bei einer Anämie ist die Anzahl der roten Blutkörperchen immer zu tief. Ihre Form und Grösse geben manchmal bereits Hinweise auf die Ursache. Typisch für eine Hämolyse ist zum Beispiel das Auftreten von Bruchstücken von Erythrozyten im Blut.

Weisen die Erythozyten jedoch eine kugelige Form anstelle von der normalen Eindellung in der Mitte auf, wird das Vorliegen einer Sphärozytose verdächtigt. Chemische Blutuntersuchungen, wie zum Beispiel der Nachweis erhöhter Abbauprodukte des Hämoglobins, können allgemein eine hämolytische Anämie bestätigen.

Daneben gibt es Tests, die eine bestimmte Störung anzeigen können, die eine hämolytische Anämie auslösen. Zum Beispiel können sie die Antikörperreaktion gegen Erythrozyten bei den autoimmunhämolytischen Anämien aufzeigen. Es kann auch die Aktivität der Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase gemessen werden, wobei bei einem Mangel dieses Stoffes eine entsprechend verminderte Aktivität dieses Enzyms nachzuweisen ist.

Um die Ursache einer hämolytischen Anämie zu finden, ist es ausserdem in jedem Fall wichtig, vom betroffenen Patienten zu erfahren, ob gleiche Fälle in der Familie vorkommen, denn häufig sind diese Erkrankungen genetisch bedingt, also vererbbar.

Therapie

Die Behandlung ist je nach Ursache der hämolytischen Anämie verschieden.

Eine Milzentfernung, auch Splenektomie genannt, kann vor allem bei der Sphärozytose helfen und wird manchmal auch bei der Autoimmunhämolyse in Erwägung gezogen. Werden die meisten Erythrozyten in der Milz abgebaut und kaum in anderen Gefässen des Körpers, wird durch eine Milzentfernung der Abbau weitgehend gebremst.

Allerdings hat die Milz auch eine Funktion in der Abwehr von Krankheitserregern, die dann wegfällt. Aus diesem Grund sollte eine Milzentfernung nie vor dem 5. Lebensjahr vorgenommen werden, da die betroffenen Kinder sonst an gefährlichen Infektionen erkranken können. In jedem Fall müssen die Betroffenen vor der Milzentfernung gegen zusätzliche Krankheiten geimpft werden.

Bei der Autoimmunhämolyse wird in erster Linie eine allenfalls bestehende Grundkrankheit behandelt, von der bekannt ist, dass sie eine hämolytische Anämie hervorrufen kann. Dies sind zum Beispiel Lymphome oder der systemische Lupus Erythematodes. Ausserdem wird mit einem stark entzündungshemmenden Medikament versucht, die Antikörperreaktion gegen Erythrozyten zu bremsen.

Beim Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel geht es darum, die hämolytischen Krisen zu verhindern, indem der Patient bekannte Auslöser meidet. Infektionen müssen möglichst rasch behandelt werden, und eine ganze Reihe von Medikamenten, darunter einige Schmerzmittel und Antibiotika, dürfen nicht eingenommen werden.

Im Allgemeinen kann in Situationen einer schweren Blutarmut Spenderblut transfundiert werden, wobei dies bei der Autoimmunhämolyse nur in zwingenden Fällen geschehen sollte, weil die Antikörper als Reaktion darauf umso stärker reagieren können.

Autor/in:Claudia Meier, Ärztin
Editor/in:Dr. med. Urspeter Knecht, Arzt
Keywords:Hämolytische Anämie, Blutarmut, Hämolyse, Milzvergrösserung, Sphärozytose, Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel, Favismus, Sichelzellanämie, Thalassämie, autoimmunhämolytische Anämie, Transfusionsreaktion, Hämoglobin, Erythrozyten, Blutgruppen, Bluttransfusion, Hämoglobinabbau, Erythrozytenabbau, Ikterus, Gallensteine, Milzentfernung
ICD-10:D58, D59
Zuletzt geändert:23.11.2016Zum Seitenanfang
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