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Nebennierenrindenkarzinom

Synonyme: bösartiger Tumor der Nebennierenrinde, Nebennierenrindenneoplasie, Nebennierenrindenkrebs, Nebennierenrindengeschwulst

Zusammenfassung

Seltener, bösartiger Tumor der Nebennierenrinde mit oder ohne Hormonproduktion und mit schlechter Prognose.

Allgemeines

Abbildung 1: Karzinom der Nebennierenrinde
Karzinom der Nebennierenrinde, Tumor der Nebennierendrinde, bösartiger Tumor der Nebennierenrinde, Krebs der Nebennierendrinde

Das Nebennierenrindenkarzinom ist ein äusserst seltener bösartiger Tumor der Nebennierenrinde. Ein Tumor ist eine Gewebevermehrung, die ohne Erlaubnis oder Aufforderung des Körpers zustande kommt. Der Unterschied zwischen den gutartigen und den bösartigen Tumoren ist, dass die bösartigen Tumoren sich in das umliegende Gewebe einfressen (siehe Abbildung 1) und sich über das Blut und die Lymphflüssigkeit im ganzen Körper ausbreiten können. Sie können dadurch an anderen Orten im Körper Tochtergeschwülste bilden, sogenannte Ableger oder Metastasen. Die gutartigen Tumore können dies nicht. Sie wachsen nur am Ort ihrer Entstehung und verdrängen lediglich das umliegende Gewebe. Die bösartigen Tumore der Nebennierenrinde werden danach eingeteilt, ob sie Hormone bilden können oder nicht. In der Fachsprache wird von endokrin aktiven Tumoren gesprochen, wenn die Tumoren Hormone bilden können, und von endokrin inaktiven Tumoren, wenn sie keine Hormone herstellen können. Ein endokrin aktiver, bösartiger Tumor der Nebennierenrinde kann Glukokortikoide, Sexualhormone oder Mineralokortikoide herstellen.

Weshalb ein solcher bösartiger Tumor der Nebennierenrinde entsteht, ist bisher nicht bekannt. Es wird aber vermutet, dass ein nicht oder nur ungenügend behandeltes adrenogenitales Syndrom ein Risikofaktor für die Entstehung eines Nebennierenrindenkarzinoms sein könnte. Bei einem adrenogenitalen Syndrom kann die Nebennierenrinde wegen einem Fehler im Erbgut keine Glukokortikoide produzieren. Deshalb ist die Glukokortikoidmenge im Blut bei einem adrenogenitalen Syndrom ohne Behandlung tief. Ist die Glukokortikoidmenge im Blut tief, bemerken dies das für die Nebennierenrinde zuständige Hirnareal und die Hirnanhangsdrüse und befehlen der Nebennierenrinde daraufhin ständig, zu wachsen und mehr Glukokortikoide herzustellen, was die Nebennierenrinde aber wegen des Fehlers im Erbgut nicht kann. Es wird vermutet, dass durch das ständige Wachstum, zu welchem die Nebennierenrinde von dem Hirnareal und der Hirnanhangsdrüse bei einem nicht behandelten adrenogenitalen Syndrom angeregt wird, bei einigen Betroffenen ein Fehler in den Zellen der Nebennierenrinde auftreten kann und deshalb ein bösartiger Tumor der Nebennierenrinde auftreten kann.

Das Nebennierenrindenkarzinom ist sehr selten. Nur ein bis zwei von einer Million Personen erkranken jedes Jahr an einem solchen bösartigen Tumor der Nebennierenrinde. Am häufigsten sind Erwachsene im Alter von 50 Jahren und Kinder betroffen.

Die Nebennieren

Abbildung: Nebennieren
Lage der Nebennieren, Darstellung der Nebennieren

Die Nebennieren sind zwei kleine lebenswichtige Organe, die im Bauchraum direkt oben auf  den Nieren liegen (siehe Abbildung). Die Nebennieren bestehen aus dem Nebennierenmark und der Nebennierenrinde. Dabei befindet sich im Innern der Nebenniere das Nebennierenmark. Umhüllt wird das Nebennierenmark von der Nebennierenrinde. Das Nebennierenmark und die Nebennierenrinde haben verschiedene Funktionen und arbeiten unabhängig voneinander.

Das Nebennierenmark bildet die Katecholamine Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin. Dies sind Stresshormone, die in Stresssituationen dafür sorgen, dass der Körper optimal reagieren kann, unter anderem indem sie ihm Energie zur Verfügung stellen. Die Nebennierenrinde bildet drei unterschiedliche Hormongruppen. In der äussersten Schicht der Nebennierenrinde werden sogenannte Mineralokortikoide wie Aldosteron produziert. Sie regulieren den Salz- und Wasserhaushalt im Körper.

In der mittleren Schicht der Nebennierenrinde werden sogenannte Glukokortikoide wie Kortisol hergestellt. Die Glukokortikoide haben zahlreiche Aufgaben im menschlichen Körper. Sie wirken auf den Zucker-, Eiweiss- und Fettstoffwechsel, den Wasser- und Salzhaushalt, das Bindegewebe und den Knochen, auf Entzündungsmechanismen und das Abwehrsystem, die Haut und das Knochenmark, das Herzkreislauf- und das Nervensystem. In der innersten Schicht produziert die Nebennierenrinde überwiegend männliche Sexualhormone, sogenannte Androgene, und nur sehr wenige weibliche Sexualhormone, sogenannte Östrogene. Die Sexualhormone sind an der Geschlechtsfunktion und der Ausbildung der weiblichen und männlichen Geschlechtsmerkmale beteiligt. Zur Produktion aller Hormone benötigt die Nebennierenrinde Cholesterin, welches einerseits vom Körper selbst hergestellt wird und andererseits im Darm aus der Nahrung aufgenommen wird.

Die Produktion von Katecholaminen im Nebennierenmark wird durch einen gewissen Anteil des Nervensystems gesteuert. Die Produktion von Mineralokortikoiden, Glukokortikoiden und Sexualhormonen in der Nebennierenrinde wird durch ein gewisses Areal des Gehirns, den Hypothalamus, und durch die Hirnanhangsdrüse geregelt. Die Herstellung von Mineralokortikoiden wird zudem durch die Nebennierenrinde selbst und durch einen komplizierten Regelkreislauf zwischen Niere, Blut und Nebennierenrinde, durch das sogenannte Renin-Angiotensin-Aldosteron-System RAAS, gesteuert.

Symptome

Stellt der bösartige Tumor der Nebennierenrinde Glukokortikoide, Mineralokortikoide oder Sexualhormone in übermässiger Menge her, wird dieser Hormonüberschuss als erstes von den Betroffenen des Nebennierenrindenkarzinoms bemerkt. In der Mehrzahl stellt der bösartige Tumor in der Nebennierenrinde aber keine oder zumindest nicht zu viele Hormone her und bereitet deshalb den Betroffenen erst dann Beschwerden, wenn er stark an Grösse zugenommen und sich in die umliegenden Gewebe eingefressen hat.

Die Betroffenen leiden dann durch den Druck vom Tumor auf den Magen an einem ständigen Völlegefühl, Übelkeit und Brechreiz. Sie verspüren zudem starke Schmerzen im Bauch. Fieber, Gewichtsverlust und eine allgemeine Schwäche können bei allen bösartigen Tumoren des Körpers auftreten, so auch beim bösartigen Tumor der Nebennierenrinde. An weiteren Beschwerden können die Betroffenen eines bösartigen Tumors der Nebennierenrinde durch die über den ganzen Körper gestreuten Ableger, sogenannten Metastasen, leiden. Ableger entstehen durch die Streuung der Krebszellen mit dem Blut oder der Lymphflüssigkeit über den ganzen Körper. Beim bösartigen Nebennierentumor sind Ableger häufig in den Lymphknoten, der Lunge, der Leber und dem Skelett. Ableger im Bereich der Lunge und der Leber werden in der Regel zufällig oder bei der Abklärung eines schon bekannten Tumors der Nebennierenrinde entdeckt. Befinden sich Ableger im Knochen kann die Stabilität des Knochens so weit gestört werden, dass er ohne grosse Krafteinwirkung bricht. Dies bereitet den Betroffenen starke Schmerzen.

Teilweise sind die bösartigen Tumore der Nebennierenrinde endokrin aktiv und stellen Hormone her, sodass die Betroffenen zusätzlich Beschwerden durch die vermehrte Hormonmenge im Körper aufweisen. Die Tumoren sind dann meist auch bereits sehr gross, da die Hormonproduktion in den Zellen der bösartigen Tumoren nur sehr ineffektiv ist und sehr viele Tumorzellen vorhanden sein müssen, bis grosse Mengen von Hormonen von dem Tumor hergestellt werden können.

Abbildung 2: Beschwerden bei einem Überschuss an Glukokortikoiden
Symptome bei einem Überschuss an Glukokortikoiden, Beschwerden bei einem Überschuss an Glukokortikoiden

Ein endokrin aktiver, bösartiger Tumor der Nebennierenrinde kann Glukokortikoide, Sexualhormone oder Mineralokortikoide herstellen. Am häufigsten stellen die bösartigen Tumore der Nebennierenrinde Glukokortikoide her. Diese Produktion von Glukokortikoiden führt zu einem Glukokortikoidüberschuss im Blut mit den Beschwerden eines sogenannten Cushing-Syndroms (siehe Abbildung 2). Dazu gehören eine anders nicht erklärbare Gewichtszunahme, Muskelschwäche, Hautveränderungen, ein Diabetes mellitus oder ein Bluthochdruck. Tritt bei Kindern ein Glukokortikoidüberschuss auf, ist die häufigste Ursache für diesen Glukokortikoidüberschuss ein bösartiger Tumor der Nebennierenrinde. Bei Erwachsenen hat ein Glukokortikoidüberschuss dagegen meist andere Ursachen und wird nur sehr selten durch einen bösartigen Tumor der Nebennierenrinde verursacht.

Abbildung 3: Beschwerden einer Frau bei einem Androgenüberschuss
Symptombe einer Frau bei Androgenüberschusss, Beschwerden einer Frau bei einem Androgenüberschuss

Ein Nebennierenrindenkarzinom, das männliche Sexualhormone herstellt, ist häufig. Ein Überschuss an männlichen Sexualhormonen führt bei Frauen zu Akne und einer Vermännlichung mit Glatzenbildung (siehe Abbildung 3), Grössenzunahme des Kitzlers, der sogenannten Klitoris, tieferer Stimme und Störungen des Monatszyklus. Ein Nebennierenrindentumor, der weibliche Sexualhormone herstellt, ist immer bösartig und führt bei Männern zu einem Wachstum der Brustdrüsen, einem Schrumpfen der Hoden, zu Impotenz und einer Abnahme der Spermienanzahl.

Nur sehr selten werden von bösartigen Tumoren der Nebennierenrinde zu viele Mineralokortikoide hergestellt. Betroffene leiden bei einem Mineralokortikoidüberschuss vor allem an einem Bluthochdruck.

Diagnose

Treten bei einer Person die oben aufgeführten Beschwerden auf, sollte ein Arzt zur weiteren Abklärung und Behandlung aufgesucht werden. Der Arzt wird den Betroffenen in einem ausführlichen Gespräch nach Beschwerden und Veränderungen fragen. Weiter wird er sich nach durchgemachten oder noch anhaltenden Erkrankungen und Therapien erkundigen. Anschliessend wird der Arzt den Betroffenen von Kopf bis Fuss untersuchen. Immer, wenn Fieber, Gewichtsverlust und Schwäche auftreten, die anhalten und auf andere Weise nicht erklärt werden können, wird der Arzt auch an einen bösartigen Tumor denken und diesen ausschliessen.

Der Tumor in der Nebennierenrinde kann mit einem Ultraschallgerät, einer Computertomographie CT oder einer Magnetresonanztomographie MRI gut nachgewiesen werden, da er meist bei Auftreten der Beschwerden schon sehr gross ist.

Bevor eine Behandlung begonnen wird, sollte zudem herausgefunden werden, ob es sich bei dem bösartigen Nebennierenrindentumor um einen Tumor handelt, der Hormone produzieren kann, oder um einen, der dies nicht kann. Dazu muss die Menge an Glukokortikoiden, Mineralokortikoiden und Sexualhormonen im Blut und im Urin bestimmt werden.

Mögliche Ableger in Lunge, Leber oder Skelett können mittels Röntgenaufnahmen der Lunge, Computertomographien des Brustkorbs und des Bauches und mittels einer Skelettszintigraphie nachgewiesen oder ausgeschlossen werden. Eine Szintigraphie ist eine Untersuchung, bei der radioaktiv markierte Stoffe in den Körper eingebracht werden. Diese Stoffe reichern sich im zu untersuchenden Organ an und können anschliessend mit einer speziellen Kamera sichtbar gemacht werden. Bei der Skelettszintigraphie werden Stoffe verwendet, die auch normalerweise beim Knochenaufbau eingebaut werden. Ableger im Knochen bewirken einen verstärkten Knochenaufbau. So werden im Bereich der Ableger mehr von den radioaktiv markierten Stoffen in den Knochen eingebaut als im normalen Knochen. Spritzt man dem Betroffenen den radioaktiven Stoff in eine Vene, dann können in einem speziellen Röntgenverfahren auf einem Bild alle die Bereiche des Skeletts sichtbar gemacht werden, die Ableger enthalten und deshalb eine grössere Menge des radioaktiven Stoffes aufgenommen haben. Die Radioaktivität, die bei der Skelettszintigraphie verwendet wird, hat keine negativen Folgen für den Betroffenen.

Therapie

Wurde der Verdacht auf einen bösartigen Tumor der Nebenniere gestellt, wird die Nebenniere mit dem Tumor möglichst vollständig operativ entfernt. Da der Tumor zum Zeitpunkt der Diagnose meist bereits sehr gross ist und sich in benachbarte Gewebe eingefressen hat, muss der Tumor dabei zusammen mit den benachbarten Lymphknoten und benachbartem Gewebe entfernt werden. Dabei müssen zum Teil auch die Niere, die Milz oder Teile der Leber entfernt werden. Es wird so viel vom Tumor befallenes Gewebe wie möglich entnommen.

Nach der Operation wird das entnommene Gewebe von einem Spezialisten mit dem Mikroskop untersucht. Dabei wird unter anderem überprüft, wie weit sich der Tumor schon in die benachbarten Organe hineingefressen hat und ob der Tumor vollständig entfernt worden ist. Je nach Ergebnis der Gewebeuntersuchung werden weitere Behandlungen notwendig. Hat ein bösartiger Tumor der Nebennierenrinde bereits Ableger gebildet, sollten diese je nach Anzahl und Verteilung der Ableger auch operativ entfernt werden.

Betroffene eines bösartigen Tumors der Nebennierenrinde müssen nach operativer Entnahme einer Nebenniere mit dem bösartigen Tumor zumindest vorübergehend Glukokortikoide und Mineralokortikoide in Tablettenform einnehmen, insbesondere wenn der Tumor Glukokortikoide in übermässiger Menge gebildet hat, da es der anderen Nebenniere teilweise erst nach einer gewissen Zeit gelingt alle Hormone, die der Körper benötigt, in ausreichender Menge zu produzieren.

Sehr oft können das Nebennierenkarzinom selbst oder seine Ableger aber nicht vollständig mit einer Operation entfernt werden. In diesen Fällen kann eine Chemotherapie oder eine Bestrahlung weiterhelfen. Eine Chemotherapie hat das Ziel den bösartigen Tumor zumindest vorübergehend von einem weiteren Wachstum abzuhalten oder gar zurückzudrängen. Diese Chemotherapie schädigt meist aber auch die gesunde Nebenniere, sodass diese nicht mehr genügend Glukokortikoide und Mineralokortikoide herstellen kann. Betroffene müssen dann lebenslang Glukokortikoide und Mineralokortikoide in Tablettenform einnehmen Eine Strahlenbehandlung kann beim bösartigen Tumor der Nebennierenrinde zur Linderung von Schmerzen bei Ablegern beispielsweise im Knochen angewendet werden mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensqualität des Betroffenen.

Prognose

Die Prognose des Nebennierenrindenkarzinoms ist sehr schlecht. Nach fünf Jahren leben nur noch fünf von hundert Betroffenen eines bösartigen Tumors der Nebennierenrinde. Bei betroffenen Kindern ist die Prognose besser. Je nachdem, wie gross der Tumor ist, wie stark er sich schon in die Umgebung ausgebreitet hat und wieviele Ableger er schon im Körper gebildet hat, kann mittels Operationen oder mittels Operationen in Kombination mit Chemotherapien oder mittels Operationen, Strahlenbehandlungen und Chemotherapien aber auch eine Heilung erreicht werden.

Autor/in:Dr. med. Sidonie Achermann, Ärztin
Editor/in:Dr. Julia Feucht, Ärztin
Keywords:Nebennierenrindenkarzinom, bösartiger Tumor der Nebennierenrinde, Nebennierenrindenneoplasie, Nebennierenrindenkrebs, Nebennierenrindengeschwulst, bösartiger Nebennierenrindentumor, endokrin aktive Nebennierenrindentumoren, endokrin inaktive Nebennierenrindentumoren, Skelettszintigraphie, Adrenogenitales Syndrom, AGS
ICD-10:C74.0, E27.8
Zuletzt geändert:06.11.2016Zum Seitenanfang
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